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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 217
Dass die Ausübung von Computerspielgewalt „mehr Prestige herauskitzel[t]“ als
andere Arten des virtuellen Leistungsvergleichs, bringt den zentralen Aspekt der
Verflechtung von Leistungsvergleich und Computerspielgewalt auf den Punkt.
Folgt man Norbert Elias und Eric Dunning in ihren Überlegungen zu „Sport und
Spannung im Prozess der Zivilisation“, dann geschieht auch in konventionellen
Sportwettkämpfen etwas ganz Ähnliches.28 Grundsätzlich gilt für Elias: „Der
Schauplatz des Sports ist, wie der vieler anderer Freizeitbeschäftigungen, dar-
auf angelegt, Emotionen zu wecken, sie anzufachen, Spannungen in Form einer
kontrollierten, ausbalancierten Erregung hervorzurufen“.29 Auch wenn die Über-
legungen von Elias zum Prozess der Zivilisation in anderer Hinsicht in Konflikt
mit emotionspraxistheoretischen Ansätzen stehen,30 ist dieser Gedanke in hohem
Maße anschlussfähig an die hier vorgeschlagene Perspektive auf Vergnügen. Das
Potenzial eines Sportspiels zur Mobilisierung von Emotionen geht Elias zufol-
ge auch aus seiner Funktion als Nachahmung eines tatsächlichen physischen
Kampfes hervor. Entscheidend ist dabei, „dass Aspekte der Gefühlserfahrung, die
mit einem wirklichen physischen Kampf assoziiert werden, in die Gefühlserfah-
rung des ‚nachgeahmten‘ Kampfes eines Sports einfließen.“31 Dadurch wird ein
emotional auf besondere Weise aufgeladener Leistungsvergleich möglich:
„Sportwettkämpfe versetzen Menschen in die Lage, den Sieg über andere in einem phy-
sischen Kampf zu erringen, ohne sie physisch zu verletzen. Die Auflösung der Spannung
des Kampfes und die Anstrengung durch den Sieg können belebend und reinigend wirken.
Man kann die Bestätigung des eigenen Wertes ohne schlechtes Gewissen genießen, die
Eigenliebe erhält einen Schub, und das mit vollem Recht, denn man hat die Gewissheit,
dass der Kampf fair war. Auf diese Weise sorgt der Sport für Eigenliebe ohne schlechtes
Gewissen.“32
Auch wenn die Annahme einer „Belebung“ und „Reinigung“ durch sportliche
Tätigkeit aus ethnografischer Perspektive wertend und damit nicht unproblema-
tisch erscheint, bringt Elias hier doch hilfreich auf den Punkt, dass die physische
Konfrontation eine „Bestätigung des eigenen Wertes“ erlaubt. Die Konfrontation
wird dadurch zum kompetitiven Prozess, der für die siegreiche Seite „Eigenliebe“
– mit einem anderen Wort: Stolz – mobilisiert.
Kampf-Konfrontationen in Computerspielen sind zwar nicht physisch, doch
sie werden durch die embodiment relation zwischen Spielern und Avataren als
virtuell-körperlich vermittelt und erhalten dadurch dieselbe Funktion wie in
28 | Vgl. Elias/Dunning: Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation.
29 | Norbert Elias: Einführung. In: Ebd., S. 42-120, hier: S. 94.
30 | Vgl. u.a. Scheer: Welchen Nutzen hat die Feldforschung für eine Geschichte religi-
öser Gefühle, S. 65.
31 | Elias: Einführung, S. 96.
32 | Ebd.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364