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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 235
des gemeinsamen Kämpfens ein, mehr noch: Sie festigen die sozioemotionalen
Bindungen innerhalb der Gruppe und bereichern dadurch das Gefühl, im An-
gesicht einer virtuell-körperlichen Bedrohung zusammenzuhalten, was einen ei-
genständigen und um seiner selbst Willen gesuchten Aspekt des Vergnügens an
Computerspielgewalt bildet.
4.2.2 Emotional Communities
Im letzten Kapitel standen gemeinsam ausgeführte Tätigkeiten beziehungswei-
se die durch sie gemachten emotionalen Erfahrungen im Mittelpunkt. Mehrfach
angeklungen ist dabei, dass die jeweilige Spielergruppe im Prozess des gemein-
samen Kämpfens, Teilens und Helfens mehr ist als ein bloßes Sammelbecken
unterschiedlicher Akteure. Um ihre Funktion für das Spielvergnügen in ihrer
ganzen Komplexität zu verstehen, ist es hilfreich, Spielergruppen als emotional
communities zu begreifen. Dieses Konzept entwickelte Barbara Rosenwein im
Kontext historischer Emotionsforschung.45 Der nicht unproblematische Teilbe-
griff der „Gemeinschaft“ bezeichnet hier nicht eine romantisierende Vorstellung
des emotionalen Zusammenhalts einer Gruppe, sondern die soziale Anordnung
von Akteuren rund um emotionale Prozesse:
„I postulate the existence of ‚emotional communities‘: groups in which people adhere to
the same norms of emotional expression and value – or devalue – the same or related
emotions. More than one emotional community may exist – indeed normally does exist –
contemporaneously, and these communities may change over time.“46
Solche Gruppen, so Rosenwein, existieren nicht nur in Form von „social commu-
nities“, sondern auch als „textual communities“.47 Sie können sich sowohl durch
einen Habitus im Sinne Bourdieus – „internalized norms that determine how we
think and act and that may be different in different groups“ – als auch durch Dis-
kurse im Sinne Foucaults – „shared vocabularies and ways of thinking that have a
controlling function, a discplining function“ – manifestieren.48 Dabei betont Ro-
senwein, dass emotional communities stets auf mehreren Ebenen existieren, sich
überschneiden, ineinander übergehen oder miteinander konkurrieren können:
45 | Barbara Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages. Ithaca/Lon-
don 2006. Das Modell fungiert auch als Gegenentwurf zu hydraulischen Emotionsmo-
dellen, wie sie etwa in Norbert Elias Überlegungen zum Prozess der Zivilisation präsent
sind. Vgl. dazu Barbara Rosenwein: Worrying about Emotions in History. In: The American
Historical Review 107 (2002), H. 3, S. 821-845.
46 | Rosenwein: Emotional Communities in the Early Middle Ages, S. 2.
47 | Ebd., S. 24-25.
48 | Ebd., S. 25.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364