Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Medien
Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
Page - 280 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 280 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens

Image of the Page - 280 -

Image of the Page - 280 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens

Text of the Page - 280 -

GEWALT IM COMPUTERSPIEL278 merksam genug sind. Als sich die Gruppe in Bewegung setzte, stieg ich in eines der Autos, in dem bereits einer meiner Feinde auf dem Beifahrersitz saß, und fuhr einfach los. Natürlich erzählte ich parallel all meine Aktionen im Sprach- kanal meiner eigenen Gruppe, wo man mir ungläubig und höchst amüsiert lauschte. Da mich noch immer niemand entdeckt hatte, konnte ich den Beifahrer schließlich mit einer aus dem Kofferraum des Autos geklauten Waffe erschießen. Im darauf folgenden Chaos zerstörte ich noch eines der wertvollen Autos unserer Feinde und tötete zwei weitere Gegner. In meinem eigenen Sprachkanal brach bei meiner Erzählung der Situation lautes Gelächter aus. Unwillkürlich machte sich auch in mir Stolz darüber breit, einen so unerwarteten und großen Sieg gegen die übermächtigen Gegner errungen zu haben. Das Lob meiner Freunde schleuderte mir die Anerkennung förmlich entgegen. Noch Tage nach dieser Aktion, und später sogar in einer mehr als ein Jahr danach folgenden Wiederbegegnung mit einigen Spielern, sprachen sie mich auf diese Großtat an. Auf diese Weise kann eine als gerecht gedeutete ludisch-virtuelle Gegenge- walt zum wirksamen Mittel der Vergemeinschaftung werden. In ihrer Funktion als drastische Form der Ausübung von Gerechtigkeit ragt sie aus der Masse der gemeinsamen Aktivitäten heraus, sie verbindet die Mitglieder einer Gruppe in der emotionalen Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel, wird zum Knotenpunkt der Kommunikation von Stolz und Anerkennung und zugleich zum Erinnerungsmo- ment der gemeinsam verbrachten Zeit. Wie wichtig ein gemeinsamer Feind für den Zusammenhalt einer Gruppe werden kann, zeigte sich schließlich auch, als unser Krieg mit RTR ein abruptes Ende fand. Zehn Tage nach meiner oben be- schriebenen Begegnung lauerten wir unseren Feinden auf, stoppten ihren Konvoi erfolgreich mit Handgranaten, nahmen sie daraufhin ins Kreuzfeuer und einige meiner Mitspieler gaben mit einem inzwischen eroberten Kampfhelikopter den fliehenden Gegnern den Rest. Jubelschreie und ausgelassene Lacher tobten im Sprachkanal. „Ja Männer!“, kommentierte der Spieler Manu fröhlich: „Wir haben die heute schön ordentlich penetriert. Die hatten so einen Schiss, so hab ich die noch nie erlebt, wie die planlos in den Himmel geschossen haben.“ (FT) Als wir am nächsten Tag voller Tatendrang online kamen und den Kampf fort- setzen wollten, waren keine RTRler mehr auf unserem Server. Verdutzt warteten wir den ganzen Abend, aber vergeblich. Anscheinend hatten wir unsere Feinde durch die Zerstörung all ihrer Fahrzeuge und Ausrüstung so hart getroffen, dass sie entschieden hatten, den Server zu wechseln oder ganz aufzuhören. Lustlos zogen wir ein wenig durch die Wälder. Plötzlich hatten wir nichts mehr zu tun. Nach und nach gingen wir alle offline und auch in den folgenden Tagen kam das Spiel nicht mehr so recht in Gang. Die vereinzelten anderen Spieler und kleine- ren Gruppen auf dem Server waren keine Herausforderung für uns – schlimmer noch: Sie hatten uns kein Unrecht angetan und sie anzugreifen, wäre keine ge- rechte Gegengewalt, sondern langweilig gewesen. So löste sich unsere Spieler- gruppe, zumindest für einige Zeit, auf. Durch den Verlust der Feindschaft zu unseren Gegnern war auch unser Zusammenhalt deutlich geschwächt worden.
back to the  book Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens"
Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Title
Gewalt im Computerspiel
Subtitle
Facetten eines Vergnügens
Author
Christoph Bareither
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
370
Keywords
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Category
Medien

Table of contents

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Gewalt im Computerspiel