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Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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DRAMATISCH UND DEVIANT 285 hat automatisch mit Inkongruenzen zu tun. Doch pointiert gesprochen erschei- nen uns viele Situationen deshalb als lustig, weil sie Prozesse vereinen, die nicht zusammenpassen. Die Erwartungshaltung bricht sich am Vorgefundenen und erzeugt so das Humorvolle. Helga Kotthoff verweist zur Erklärung auf eine Me- tapher Sigmund Freuds, der Jean Paul mit den Worten zitiert: „‚Der Witz ist ein verkleideter Priester, der jedes Paar traut.‘ Th. Vischer habe dem hinzugefügt: ‚Er traut die Paare am liebsten, deren Verbindung die Verwandten nicht dulden wollen.‘“65 Für die hier zur Debatte stehende Art von Inkongruenz sind die Kon- kretisierungen von Giselinde Kuipers hilfreich: „The notion of incongruity implies a break with expectations. This break may be purely cognitive, but most humorous incongruities have a moral or social component to it. The mismatching often involves the transgression of social norms, or the breaking of establis- hed social patterns. [...] What is perceived as incongruous is always informed by culture- specific constructions of order [...]. This symbolic order entails cognitive schemas, but also provides a social and moral patterning of the world. Deviations of this order are often felt to be wrong, dangerous, repulsive, upsetting. However, as the anthropologist Mary Douglas showed, under specific circumstances incongruities evoke more positive responses. They can be seen as sacred, beautiful – or humorous.“66 Aus emotionspraxistheoretischer Perspektive gehört zu dieser „transgression of social norms, or the breaking of social patterns“ auch die Überschreitung etab- lierter feeling rules. In obigen Beispielen wird genau das erreicht, indem erstens ein erwartbares Verhalten (die Einhaltung des common sense der Gewaltfreiheit gegenüber Unbeteiligten) virtuell gebrochen wird (Unbeteiligte werden gezielt überfahren), zweitens und wichtiger aber, indem statt des nach geltenden feeling rules erwartbaren Fühlens (Reue beziehungsweise negativ gedeutete Emotionen) ein ganz anderes Fühlen (Spaß und Freude) zur Sprache gebracht wird. Die von Kuipers zitierte Anthropologin Mary Douglas schreibt: „A joke is a play upon form. It brings into relation disparate elements in such a way that one accepted pattern is challenged by the appearance of another which in some way was hidden in the first.“67 Computerspielgewalt hat deshalb ein besonderes Potenzial für hu- morvolle Erfahrungen, weil sie ein Witze-Machen in genau diesem Sinne erlaubt. Giselinde Kuipers: Humor Styles and Symbolic Boundaries. In: Journal of Literary Theory 3 (2009), H. 2, S. 219-240, hier: S. 221; für eine qualitative Studie humoristischer Er- fahrungen in Computerspielen (allerdings ohne konkreten Bezug zu Computerspielgewalt) vgl. Claire Dorman/Robert Biddle: A Review of Humor for Computer Games. Play, Laugh and More. In: Simulation & Gaming 40 (2009), H. 6, S. 802-824. 65 | Kotthoff: Vorwort, S. 10. 66 | Kuipers: Humor Styles and Symbolic Boundaries, S. 221. 67 | Mary Douglas: Jokes. In: Dies.: Implicit Meanings. Selected Essays in Anthropology. London/New York zweite Aufl. 1999 [erstmals 1970], S. 146-163, hier: S. 150.
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Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Title
Gewalt im Computerspiel
Subtitle
Facetten eines Vergnügens
Author
Christoph Bareither
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
370
Keywords
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Category
Medien

Table of contents

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
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