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DRAMATISCH UND DEVIANT 289
hand sein Maschinengewehr und schießt einer Gruppe Davonrennender in den
Rücken. Schreie der Sterbenden ertönen, einige fallen tot zu Boden. Süffisant
kommentiert Gronkh: „So, ich bin kein gutes Vorbild, Kinder! Nicht zuhause
nachmachen! Aber ist sowieso ab 18 [das LP ist ab 18 Jahren freigegeben, C.B.].74
Ihr habt das ja eh nicht gesehen.“ Er sieht sich mit seinem Avatar um und schießt
noch einigen weiteren Unbeteiligten in den Rücken, die nun schon um die nächs-
te Häuserecke biegen, während bereits die ersten Polizeisirenen ertönen. Als er
mit seinem Avatar ins Auto steigt, um abzuhauen, gibt Gronkh einen befriedigten
Seufzer von sich und erklärt: „Ich wollt einfach mal, ich wollt einfach mal ... das
musste einfach mal sein.“ Dann tut er sogleich verwundert über das hohe Poli-
zeiaufgebot: „Ich hab doch nichts gemacht. Ich bin unschuldig! Ich bin ein Opfer
der Medien! Ich spiele Killerspiele, ich kann nichts dafür!“ Die Verfolgung endet
unspektakulär: Gronkh entkommt der Polizei, die Fahndung wird eingestellt und
er spielt weiter wie zuvor.
Als emotionaler Prozess ähnelt dieser Amoklauf, darauf weisen Gronkhs
kommunizierende Emotionspraktiken hin, dem oben bereits diskutierten Killen
von Unbeteiligten. Auch hier lacht Gronkh schelmisch, tut unschuldig und ver-
gegenwärtigt genau diejenigen Tabus, die er bricht. Anders als beim Überfahren
Unschuldiger kann er hier zusätzlich auf die in Deutschland lange Zeit hitzig ge-
führte Debatte über den möglichen Zusammenhang von Amokläufen an Schulen
und sogenannten Killerspielen hinweisen. Aus emotionspraxistheoretischer Pers-
pektive werden dadurch Gefühlsregeln vergegenwärtigt, denen zufolge Amokläu-
fe absolut nicht zum Scherzen sind, während er genau das aber tut – mehr noch:
Er überschreitet diese feeling rules auch performativ, indem er einen Amoklauf
virtuell durchführt und daraufhin einen befriedigten Seufzer hören lässt.
Ein Teil der über 230.000 ZuschauerInnen dieser Folge teilen den Eindruck,
dass genau das lustig und somit positiv zu deuten ist. Eine Auswahl:
„Hauptsache Gronkh läuft erstmal Amok. :D [grinsender Smiley, C.B.]“
„Läuft Gronkh erstmal Amok. Was los XD [grinsender Smiley mit lachend zusammenge-
kniffenen Augen, C.B.]“
„Amoklauf ;) [lächelnd zwinkernder Smiley, C.B.]“
„Kaum ist der Sarazar weg läuft der Gronkh Amok :D“
„Am Anfang einfach mal einen Amoklauf :D Hammer :D“
„direkt am anfang alle menschen umbringen hahahaha“
74 | Gronkh verweist also darauf, dass Let’s Play-Videos von Spielen mit einer Alters-
freigabe ab 18 Jahren eigentlich auch nur von Personen ab 18 Jahren angesehen werden
dürfen. Allerdings fehlen jegliche Kontrollmechanismen und auch die Let’s Player sind
sich, wie Gronkh hier signalisiert, durchaus bewusst, dass auch Minderjährige zusehen.
Dennoch bemühen sich zumindest Gronkh und Sarazar regelmäßig, auf die Altersbe-
schränkung der von ihnen gespielten Spiele hinzuweisen.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364