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Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM COMPUTERSPIEL294 mit einem genüsslichen Lachen. Als der Spieler Kerby einmal während des Spie- lens eine ganz ähnliche Falle aufbaute und ich ihn fragte, warum er das mache, antwortete er mit einem hörbaren Schmunzeln, er sei manchmal gerne „so ein Ekliger.“ (FT) Auch Petator kennt solche Momente: „Das haben wir auch schonmal gemacht. Wir haben irgendwann um fünf Uhr morgens oder so, wir haben ewig lange gezockt, der Server war schon halb leer. Und da war einfach ein Typ, und wir hatten ein Auto, wir hatten halt full Gear [sehr gute Ausrüstung, C.B.], wir hatten Fressen, Waffen, alles im Überfluss, ja? [...] Und da war ein Typ, den haben wir halt mitgenommen und ihm Ausrüstung gegeben. Und dann haben wir ihm Tschüss gesagt – und dann haben wir ihn umgebracht (lacht hämisch auf). Das ist natürlich lustig, weil’s super absurd und mega gemein ist. Aber da hatten wir alle (hörbar lächelnd) so ein biss- chen ein schlechtes Gewissen, weil bei DayZ ist es nochmal ein bisschen brutaler als bei CS [Counter-Strike, C.B.] zu sterben, ne? Weil es ist halt Permadeath [der Avatar verliert mit dem Tod alles, C.B.], das kann ich nachempfinden. Weil da ist es: Du weißt, du tust ihm körperlich zwar nichts, aber seelisch tust du ihm grad was an. Weil es ist wirklich … das ist echt auch assi. Es ist einfach assi (lacht).“ (IV18) Hier wird deutlich, wie die spezifischen Bedingungen von DayZ die Erzeugung einer emotionalen Inkongruenz durch die Überschreitung von als fair und ge- recht geltenden Spielpraktiken erlauben. Ganz ohne vorgegebene Narrative ent- stehen hier aus der sozialen Dynamik des Spiels heraus Momente der Transgres- sion, die schließlich als lustig gedeutet werden, gerade weil sie so „assi“ (s.o.) sind. In einer neueren Version von DayZ implementierten die MacherInnen zu- sätzlich die Möglichkeit, dass man fremde Spieler nicht nur erschießen, sondern gefangen nehmen und dann verschiedene Dinge mit ihnen anstellen kann. Bei- spielsweise kann man andere Avatare virtuell ‚quälen‘, indem man sie mit verdor- benen Lebensmitteln oder Chemikalien zwangsernährt und sie langsam sterben lässt. Eines Tages erklärte mir der Spieler Kerby im Sprachkanal fröhlich, er und sein Kumpel Milo hätten heute einen Spieler gefangen und ihm verdorbenes Es- sen gefüttert. Das sei total lustig gewesen und der habe auch alles anstandslos mitgemacht (anstatt sich einfach auszuloggen). Auf mein irritiertes Schweigen hin fragte Kerby: „Schon mehr oder weniger lustig, oder?“ Ein weiterer Mitspieler antwortete: „Schon mehr oder weniger traurig“, doch lachte dann selbst über die beschriebene Überschreitung. (FT) Als ich am folgenden Tag im Gruppeninterview mit Kerby und Milo nach die- ser Situation frage, antwortet Kerby erst einmal ausweichend. Man wolle halt aus Neugier sehen, was passiert, wenn man sowas mal mache, erklärt er. Ich bitte ihn zu erzählen, was genau passiert ist. Er beschreibt mit hörbar verlegenem Lächeln, wie sie einen fremden Spieler mit Waffen bedroht haben, um ihn anzuhalten: „Wir meinten [zum anderen Spieler, C.B.], ja wir möchten mal was probieren. Haben ihm dann so Handschellen gegeben [ihn gefesselt, C.B.] und (lacht zischend) dann haben wir
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Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Title
Gewalt im Computerspiel
Subtitle
Facetten eines Vergnügens
Author
Christoph Bareither
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
370
Keywords
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Category
Medien

Table of contents

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
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