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AMBIVALENT 307
[also sein Avatar, C.B.] ist ganz schön, ganz schön brutal hier.“ Sogleich rennt er
aber weiter und stürmt vergnügt den anrückenden Polizisten entgegen. Mit ei-
nem lusvtollen „Bäm!“ schlägt er dem vordersten Polizisten seinen Golfschläger
ins Gesicht, bevor sein Avatar von einem weiteren Gegner niedergeschossen wird.
In der Sterbeanimation des Avatars spritzt in Zeitlupe Blut aus dessen Wunden,
worauf Piet wiederum leicht schockiert kommentiert: „Oh krass, ist das brutal.“
Eine zweite, häufiger artikulierte Art negativ gedeuteter Erfahrungen bezieht
sich auf solche Momente, in denen Let’s Player Mitleid mit computergesteuerten
Menschen haben, denen virtuelle Gewalt widerfährt. Piet beispielsweise reagiert
auf die Einführungssequenz von Trevor in GTA5 nicht wie Gronkh und Sarazar
mit Belustigung, sondern ist schockiert (vgl. Kap. 5.1.3). Trevor zertritt hier einem
Charakter namens Johnny (den Fans der Reihe kennen und meist mögen) ohne
triftigen Grund den Schädel.34 Piet erinnert sich, dass er diesen Charakter kennt,
und fragt schockiert: „Haben wir den jetzt echt getötet? What the fuck? Oh mein
Gott! Ich bin grad ein bisschen baff.“ Ein kurzer und lustiger Dialog zwischen
Trevor und seinen Freunden bringt Piet zum Lachen, doch noch währenddessen
sagt er wieder: „What the fuck? Ich hasse Trevor. Der kann doch nicht einfach
Johnny killen. Ich mein, ich hab Ewigkeiten [in einem anderen GTA-Teil, C.B.]
mit dem verbracht.“ Während er das sagt, wird seine Stimme zunehmend ernster.
„Das war kein schöner Abschied. Ohne Scheiß ... das war scheiße.“
Es bedarf nicht unbedingt der narrativen Bindung an einen Charakter, um
solche negativ gedeutete Gefühle zu mobilisieren. Als der Let’s Player Brammen
als US-Elitesoldat in Battlefield 4 mit seiner Einheit einen sinkenden Frachter
durchsucht, entdecken sie einige eingeschlossene Kameraden, die zu ertrinken
drohen und die sie nicht befreien können (empfohlenes Beispiel).35 Der Befehls-
haber drängt zum Weitergehen und zur Erfüllung der Mission, bei der noch viel
mehr Menschenleben auf dem Spiel stehen. „Alter, das ist jetzt echt schon krass,
wenn man da jetzt einfach so ...“, kommentiert Brammen, doch wird von einem
wimmernden Ruf eines Eingeschlossenen unterbrochen: „Bitte lasst uns nicht
hier unten sterben!“ Als er sich schließlich mit seinem Avatar entfernt, ruft ihm
einer der Soldaten verzweifelt nach: „Nein, bitte! Sagt meiner Mom, sagt meiner
Mom! Ich kann doch so nicht sterben! Nicht in diesem Loch!“ Brammen gibt sich
bedrückt: „Alter, ohne Spaß“ – man hört hinter ihm das letzte Gurgeln der Ertrin-
kenden – „das ... ist abartig. Das ist echt abartig.“
Die dritte Art negativ gedeuteter Erfahrungen betrifft solche Momente, in
denen die Spieler selbst eine als ungerecht empfundene ludisch-virtuelle Ge-
34 | PietSmiet (Piet): GTA 5 # 15 - Meeeeeeeeet Trevor «» Let’s Play Grand Theft Auto
V | HD (30.9.2013), 6:27-9:27. https://www.youtube.com/embed/qLrv5DMKFIw?start=
387&end=567
35 | PietSmiet (Brammen): BATTLEFIELD 4 SINGELPLAYER # 4 - USS Titan «» Let’s Play
Battlefield 4/BF4 | HD (1.11.2013), 12:00-13:40. https://www.youtube.com/embed/nY
QRyA6hG1A?start=720&end=820
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364