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AMBIVALENT 315
von oben mit Phosphor-Granaten beschießt. Sarazar kommentiert die Sequenz
vergnügt, wie jede andere Action-Sequenz auch, mit Artikulationen wie „Bam!“,
„Der nächste Bitte!“, oder: „Zack! Die sind auf jeden Fall dran! Bams!“ Durch das
Infrarotbild seiner Drohne sieht er schließlich eine größere Menschenansamm-
lung und befürchtet, das könnten Zivilisten sein, die dort eingekerkert wurden.
Doch der weiße Phosphor ist bereits abgefeuert und trifft die Halle. Schreie er-
tönen. „Ach du Scheiße!“, ruft Sarazar und stutzt: „Ähm ... oh, so schnell kann
das gehen mit friendly fire, Freunde.“ Die drei Elitesoldaten packen die Waffe ein.
„Die haben wir richtig ausradiert, alle Mann“, kommentiert Sarazar bedrückt.
Nun erst sieht er das Ausmaß seiner Attacke ohne Infrarot-Kamera, ein brennen-
des Schlachtfeld zu seinen Füßen. „Ach du heilige Scheiße! [...] [D]ie Zivilisten
hätt ich nicht umbringen dürfen. In dieser Folge bin ich wirklich ein böser, böser
Junge gewesen. Und das fast unabsichtlich.“
Sarazar macht hier einen Schnitt, um die LP-Folge nicht zu lang werden zu
lassen. In der nächsten Folge rückt er mit seiner Truppe weiter durch das zerstör-
te Kampfgebiet vor (empfohlenes Beispiel).44 Verstümmelte, vor Schmerzen stöh-
nende Menschen kriechen über den Boden. „Scheiße Mann. Das ganze Gebiet
brennt, und wir sind Schuld daran“, bemerkt der Let’s Player. Er verweist noch
einmal darauf, dass er sich auch gegen den Einsatz des weißen Phosphors hät-
te entscheiden können. Die Sterbenden schreien um Hilfe. „Fuck“, kommentiert
Sarazar bedrückt: „Guckt euch das mal an, hier brennt jeder. Und irgendwie ist
es alles unsere Schuld, weil wir hier mit dem Phosphor-Mörser herumhantiert ha-
ben.“ Zwischendurch versucht er es mit der Erzeugung einer humorvollen Inkon-
gruenz: „Dieser hat auch ein bisschen mit Grillkohle gespielt, der Mann“. Aber er
scheint selbst zu merken, dass der Witz in Anbetracht der drastischen Repräsen-
tationen verstümmelter Körper nicht so richtig funktioniert. Er geht weiter und
eine Zwischensequenz wird gestartet, in der ein sterbender Gegner erklärt, dass
sie doch eigentlich nur helfen wollten. Die drei Elitesoldaten gehen in die Halle
voller Zivilisten, wo sich ein grausames Bild aus verstümmelten Körpern bietet.
„Oh Mann“, kommentiert Sarazar: „Da krieg ich ein richtig schlechtes Gewissen
grade. Oh Mann ...“ Einer der Soldaten wird wütend, der Hauptprotagonist (und
Avatar des Spielers) geht dagegen apathisch auf die entstellten Leichen einer Mut-
ter und ihres Kindes zu, dem sie ihre Hand vor die Augen hält. „Boah!“, entfährt
es Sarazar: „Wie übel ...“ Als die Soldaten schließlich weitergehen, übernimmt
Sarazar wieder die Kontrolle über seinen Avatar, läuft langsam voraus und wendet
sich an seine ZuschauerInnen:
„Boah, Freunde, Freunde, Freunde. Wie heftig ist das denn? Das ist ja wohl eine der kras-
sesten Szenen im Spiel bisher. Und wir sind dafür verantwortlich gewesen, wir haben mit
44 | Sarazar: Let’s Play Spec Ops: The Line #010 - Schwere Entscheidungen [Full-HD]
[Deutsch] (14.7.2012), 00:00-4:55. https://www.youtube.com/embed/r9Vb5qdFfAo?sta
rt=0&end=295
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Title
- Gewalt im Computerspiel
- Subtitle
- Facetten eines Vergnügens
- Author
- Christoph Bareither
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Category
- Medien
Table of contents
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364