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							AMBIVALENT 317
Hintergrund der ansonsten vergnüglichen Grundstimmung sind. In diesem Fall
waren meine autoethnografischen Beobachtungen wichtig. Ich machte mehrfach
die Erfahrung, dass ich mich beim Töten der Avatare anderer Spieler schlecht
fühlte, vor allem dann, wenn ich nicht aus einer Bedrohungssituation heraus,
sondern aus Eigennutz oder ganz ohne triftigen Grund attackierte. Ich wusste,
wie frustrierend es sein konnte, in DayZ getötet zu werden, da jeder Avatar nur ein
Leben hat. Und diese Erfahrung verwandelte sich manchmal in Mitleid mit den
Gegnern, beziehungsweise – wenn ich sie selbst getötet hatte – in Schuldgefühle.
Als ich in den Interviews mit DayZ-Spielern von solchen Erfahrungen erzählte,
zeigte sich, dass einige von ihnen diese teilten. Der Spieler Onkie berichtet:
„Bei DayZ ist es mir zum ersten Mal passiert, dass es mir leid getan hat, jemanden zu
erschießen. [...] Das war glaub ich mit der erste oder zweite Typ, den ich abgeschossen
hab. [...] Na auf jeden Fall bin ich halt als ganz Frischgespawnter [mit einem neuen Ava-
tar, C.B.] mit der Pistole oder irgendeiner Schrotflinte am Meer rumgerannt … und da war
einer, genau … und der kam und hat mich übelst erschreckt, ich hab mich wirklich übelst
erschreckt. Und direkt davor [mit dem letzten Avatar, C.B.] wurd ich halt selber auch er-
schossen. Ich war wirklich ganz frisch so, das waren meine ersten drei Tage oder sowas,
wie ich DayZ gezockt hab [...]. Da hab ich den ersten gesehen und wusst auch gar nicht
so richtig, was ich tun soll. Ja soll ich erstmal mit dem reden? Und dann hab ich versucht
mit ihm [über den spielinternen Sprachkanal, C.B.] zu reden und er hat dann auch Hallo
gesagt und dann hat er mich halt angeguckt und dann hat er mich erschossen. Und da
war ich übelst sauer so, weil ich gerade so ein bisschen was [Loot, C.B.] hatte und da
hat’s mich übelst geärgert halt. Und da hab ich wieder weitergespielt und das war dann
relativ später so. Und ich lauf da so lang und erschreck mich übelst, dass der Typ da ist
und schieß ihm erstmal voll mit der Schrotflinte in den Bauch oder so. Und der war halt
nicht tot (leicht lachend) und saß halt vor mir und da seh ich: Er hat keine Waffe! Und
dann stand dann da [im spielinternen Chat, geschrieben vom angeschossenen Gegner,
C.B.]: ‚Och Mann, jetzt ist’s schon wieder vorbei‘, und (lacht), und ich so [im spielinternen
Chat, C.B.]: ‚Ja ich wollt ja gar nicht!‘, und so. Und dann hat er gemeint: ‚Ja komm, jetzt
ist eh, jetzt macht’s eh keinen Sinn mehr, erschieß mich doch.‘ Und stellt sich hin und
salutiert vor mir [mit einer im Spiel möglichen Animation des Avatars, C.B.] [...] So richtig
mies halt, ne? [...] Eigentlich hab ich ja dann überlegt so: ‚Erschießt ihn jetzt, erschießt
ihn nicht? Eigentlich musst ihn ja nicht erschießen so.‘ (Lacht) Naja, und dann hab ich
mir überlegt: ‚Na komm, erschießt ihn doch‘, und dann, ja so dann [sagt der andere, C.B.]:
‚Mach doch!‘, und dann [sagt Onkie, C.B.] so: ‚Ja okay, ich erschieß dich.‘ Will schießen.
Ach scheiße! Ich muss noch nachladen. Und hab dann erst die Schrotflinte nachgeladen.
Naja, und dann hab ich ihn erschossen (lacht). Joa, das war jetzt das erste Mal, dass es
mir leid getan hat, dass ich dann wirklich auf diesen Typen dann geschossen hab so, auch
schon das Schießen halt allein auf den Typen, dass ich den dann noch umgebracht hab so
(atmet aus). Naja, das war schon ein bisschen, da hast du schon gemerkt so: Das hattest
du noch nie vorher bei einem Computerspiel, dass du da so … keine Ahnung, dass du da
drüber nachgedacht hast überhaupt. Sonst ist es ja völlig Wurst, ne?“ (IV15)
					
				
						Gewalt im Computerspiel
							Facetten eines Vergnügens
								
				- Title
 - Gewalt im Computerspiel
 - Subtitle
 - Facetten eines Vergnügens
 - Author
 - Christoph Bareither
 - Date
 - 2016
 - Language
 - German
 - License
 - CC BY-NC-ND 4.0
 - ISBN
 - 978-3-8394-3559-5
 - Size
 - 14.8 x 22.5 cm
 - Pages
 - 370
 - Keywords
 - Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
 - Category
 - Medien
 
Table of contents
- 1. Einleitung 7
 - 2. Theorie und Methode 15
 - 3. Virtuell-körperlich 93
 - 4. Kompetitiv und kooperativ 199
 - 5. Dramatisch und deviant 247
 - 6. Ambivalent 297
 - 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
 - Literatur und Anhang 333
 - Literatur 333
 - Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
 - Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
 - Verzeichnis der geführten Interviews 364