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Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 327 kann. Insofern die Ausübung physischer Gewalt in unserem Alltag nur unter sehr spezifischen Voraussetzungen als gerecht gilt, können Computerspiele durch narrative Inszenierungen den Eindruck einer zu Unrecht widerfahrenen ludisch-virtuellen Gewalt erzeugen. Wenn Spieler sich in Singleplayer-Games auf die angebotenen Narrative einlassen – so zeigen es insbesondere Let’s Play-Videos und deren Kommentare –, kann die Widerfahrnis einer als ungerecht gedeuteten Gewalt mit Erfahrungen von Traurigkeit und Wut einhergehen. Daraus entsteht mitunter eine emotionale Abneigung gegen die computergesteuerten Gegner, was vor allem durch Beschimpfungen zum Ausdruck gebracht wird. Vor dem Hinter- grund einer solchen Abneigung wird dann die virtuelle Gegengewalt gegen die als böse markierten Feinde als eine erstrebenswerte, weil Gerechtigkeit übende Tätigkeit gedeutet. In Anlehnung an Überlegungen aus der Film- und Fernsehre- zeptionsforschung wurde hier argumentiert, dass die Widerfahrnis ungerechter ludisch-virtueller Gewalt diese Gegengewalt motiviert, legitimiert und die durch ihre Ausübung gemachten Erfahrungen in positiv gedeutetem Sinne intensiviert. In Multiplayer-Games sind die Spielnarrative für die Spieler zwar meist we- niger wichtig, doch auch hier greifen ganz ähnliche emotionale Prozesse. Ins- besondere in solchen Spielen, in denen die Gamer viele Entscheidungsfreihei- ten haben und sich somit gegenüber ihren menschlichen Gegnern ungerecht verhalten können, kann eine gegenseitige Abneigung entstehen. In Bezug auf verfeindete Spielergruppen, die sie als böse betrachten, sprechen manche Gamer sogar von Hass. Dabei zeigen die empirischen Materialien, dass sich die dadurch artikulierte Feindschaft nicht auf die Person hinter dem jeweiligen gegnerischen Avatar richtet, sondern zum spielimmanenten Selbstzweck wird, insofern sie die Erfahrung einer radikalisierten und dadurch dramatisch aufgeladenen emotio- nalen Positionierung erlaubt. Aus dieser Situation heraus ergeben sich auch in Multiplayer-Games vielschichtige Dynamiken der Rache. Teils führen gegneri- sche Clans regelrechte Fehden gegeneinander, wobei das Vernichten der beson- ders verhassten Feinde aus der Masse der Erfahrungen positiv herausragt und zu- gleich besonders erinnerungswürdige Momente erschafft, die mit Verbündeten geteilt werden können. Allerdings können Spieler nicht nur an einer als gerecht gedeuteten Rache, sondern auch an der gezielten Ausübung einer als ungerecht gedeuteten ludisch- virtuellen Gewalt Spaß haben. Let’s Play-Videos zeigen häufig, wie Spieler dezi- diert feeling rules überschreiten, um dadurch ein deviantes Fühlen zu erleben, was sie als positiv deuten. Im Anschluss an Ansätze aus der Humorforschung wurde argumentiert, dass dabei die Erzeugung von humorvollen Inkongruenzen besondere Erfahrungen entstehen lässt. Dabei geht es nicht einfach darum, durch eine virtuelle Tätigkeit die im Nicht-Spiel-Alltag geltenden Verhaltensregeln zu überschreiten, sondern sich bei der virtuellen Überschreitung auch gut zu füh- len. Dieses deviante Fühlen wird von Let’s Playern zugleich als Überschreitung reflektiert oder es wird mit moralischer Empörung kokettiert, was jene emotions- bezogenen Inkongruenzen nochmals deutlicher hervorhebt. So können Spieler
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Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Title
Gewalt im Computerspiel
Subtitle
Facetten eines Vergnügens
Author
Christoph Bareither
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
370
Keywords
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Category
Medien

Table of contents

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
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