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27Die
MĂŒhen der Literaturwissenschaft : Aporien der Forschung
tieren wĂ€reâ.75 Dennoch wird sich eine adĂ€quate Deutung nicht damit begnĂŒ-
gen können, bloĂ dessen âparasitĂ€resâ Wuchern zu konstatieren ; vielmehr gilt
es zu ermitteln, wie sich narrative und essayistische Passagen wechselseitig
perspektivieren und kommentieren. Die vorliegende Arbeit folgt ausdrĂŒcklich
der These, dass die âErzĂ€hlsubstanzâ bzw. die ânarrative Syntaxâ76 des Romans
genauso wenig eine zu vernachlĂ€ssigende âZugabeâ ist wie dessen essayisti-
sche Passagen,77 im Gegenteil : Sie dient auf programmatische Weise der Ver-
anschaulichung, Differenzierung und zum Teil auch der expliziten Situierung
sowie impliziten Relativierung theoretisch formulierter Reflexion.78
Die genannten EinwÀnde sollten indes keineswegs den Eindruck vermit-
teln, die Ergebnisse der Untersuchungen Mosers79 wÀren sÀmtlich irrelevant.
Das Gegenteil ist der Fall. Mindestens ebenso anregend wie seine Analyse
âder dynamischen Einverleibung anderer Diskurse in den literarischenâ80 ist
seine Deutung der Romanfiguren als âinterdiskursive[ ] Operatorenâ, âals
Schnittpunkte im diskursiven Bereich, als eigentliche Diskurskonnektorenâ,
die âeiner gewissen Des-Individualisierung unterworfenâ sind.81 Im Unter-
schied zu den postmodernen Interpretationen, die in der Folge diskutiert wer-
den sollen, hĂ€lt Moser âan der historischen und sozialen Tatsache der Diskurs-
ordnung festâ und betrachtet âdiese als einen der Pole, die die Geschichte der
Diskurspraxis artikulieren. Die Tendenz zur Stabilisierung dieser Praxis in feste
Diskurstypen [âŠ] ist ebensosehr eine wirkende Kraft â wenn nicht gar eine
gesellschaftliche Notwendigkeit â wie die KrĂ€fte[,] die unablĂ€ssig auf die Ver-
75 Ebd.
76 Die erzÀhltheoretische Begrifflichkeit beziehe ich aus Fanta : Die Entstehungsgeschichte des
âMann ohne Eigenschaftenâ, S. 35 f.
77 Sie entspricht damit einem Postulat, das Jander : Die Ăsthetik des essayistischen Romans,
S. 527 f., folgendermaĂen begrĂŒndet hat : âDie[ ] Konzentration auf Theorie und Reflexion als
dominante Romanebenen, welche â als Zeichen fĂŒr ModernitĂ€t â dessen erzĂ€hlerische Form
sprengen und unterlaufen, kann den Blick auf die spezifischen Àsthetischen QualitÀten dieser
Romanform verstellen. Sie werden nur dann sichtbar, wenn reflexive und narrative Elemente im
Sinne einer nicht-hierarchischen, wechselseitigen und poetisch in besonderer Weise produkti-
ven Interaktionsbewegung aufgefasst werden.â Jander schlĂ€gt vor, im Unterschied zum bisherigen
Begriffsgebrauch gerade âdieses Interaktionsgeschehen zwischen Reflexion und Narration [âŠ]
mit dem PrĂ€dikat essayistisch zu versehenâ.
78 Zu Musils Konfrontation der essayistischen Reflexion mit der âAlltagspraxisâ und der daraus
resultierenden sozialen âSituierungâ und ironischen Brechung vgl. die Hinweise in BĂŒrger : Lite-
rarische Form als Denkform, S. 429 f.
79 Vgl. auch Moser : Zwischen Wissenschaft und Literatur ; ders.: Zur Erforschung des modernen
Menschen.
80 Moser : Diskursexperimente im Romantext, S. 171.
81 Ebd., S. 182.
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Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Title
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Subtitle
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Author
- Norbert Christian Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 1224
- Keywords
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208