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2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen
Schachbrettâ : Kapitalausstattung und
Habitusbildung
Neben Raum und Zeit, deren VerhÀltnis im Roman sich mit Bachtins Kate-
gorie des âChronotoposâ fassen lĂ€sst, bilden bekanntlich Figuren âdie dritte
grundlegende Konstituente der erzĂ€hlten Geschichteâ1. Die neuere Litera-
turtheorie hatte mit der Konzeptualisierung literarischer Figuren allerdings
stets gewisse Schwierigkeiten : Will sie nicht dem traditionellen, ârealistisch-
mimetischen Figurenkonzeptâ folgen und Figuren im Wesentlichen wie reale
Personen behandeln2, dann haben sich ihr als âradikale Alternativeâ lange nur
jene strukturalistischen AnsĂ€tze angeboten, denen zufolge Figuren als âreine
HandlungstrĂ€ger oder Aktanten und nicht als âpsychische EntitĂ€tenâ aufgefasst
werdenâ.3 Mittlerweile hat sich allerdings die Einsicht durchgesetzt, âdass die-
ses strukturalistische Figurenkonzept in völligem Widerspruch zu rezipienten-
seitigen Vorstellungen von Figuren steht. Wenngleich Figuren auf textuellen
Informationen basieren, sind sie doch fĂŒr LeserInnen in der Regel weit mehr
als die Summe sprachlicher Informationenâ, ja werden âin Analogie zu Personen
konstruiertâ und besitzen âoft eine gewisse Autonomie vom Textâ.4 Als prak-
tikabler âdritter Wegâ wurden deshalb ârezeptionsorientierte und kognitive Kon-
zeptualisierungen von Figurenâ favorisiert, die âsowohl dem rezipientenseitigen
Eindruck von der âLebensechtheitâ literarischer Figuren als auch dem Status
von Figuren als fiktionales Konstrukt gerecht zu werdenâ vermögen, indem sie
sie âals textuelle Konstrukteâ auffassen, âdie gleichwohl in Analogie zu realen Per-
1 Gymnich : Konzepte literarischer Figuren und Figurencharakterisierung, S. 135.
2 Vgl. ebd., S. 125 f. Dieser Ansatz âbirgt die Gefahr in sich, dass der Status der Figur als fiktio-
nales, auf textuellen Informationen basierendes Konstrukt nicht berĂŒcksichtigt wird und dass
der Figur Eigenschaften, Motivationen und eine âBiographieâ zugeschrieben werden, die jeder
textuellen Grundlage entbehrenâ (S. 126).
3 Ebd., S. 127. Vgl. dazu vor allem Greimas : Die Struktur der ErzÀhlaktanten. Daneben Barthes :
EinfĂŒhrung in die strukturale Analyse von ErzĂ€hlungen, S. 121â125 ; Lotman : Die Struktur lite-
rarischer Texte, S. 340â347.
4 Gymnich : Konzepte literarischer Figuren und Figurencharakterisierung, S. 128 f., stĂŒtzt sich
hier auf Margolin : The What, the When, and the How of Being a Character, sowie auf die ein-
schlÀgigen Passagen in den narratologischen Grundlagenwerken von Mieke Bal und Seymour
Chatman.
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book Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Title
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Subtitle
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Author
- Norbert Christian Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 1224
- Keywords
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208