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Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
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446 Teil II: Romantext als KrĂ€ftefeld „eine Symbolgestalt der sich vorbereitenden Demokratie“ (MoE 389). Bei sei- ner wiederholt artikulierten Überzeugung, es komme allein „auf starke und umfassende Persönlichkeiten“ an (MoE 196), denkt er – seinem Habitus ent- sprechend – in erster Linie an sich selbst : „Zuweilen schwebte ihm eine Art Weimarer oder Florentiner Zeitalter der Industrie und des Handels vor, die FĂŒhrerschaft starker, den Wohlstand mehrender Persönlichkeiten, die befĂ€higt sein mĂŒĂŸten, die Einzelleistungen der Technik, Wissenschaften und KĂŒnste in sich zu vereinen und von hohem Standpunkt zu lenken. Die FĂ€higkeit dazu fĂŒhlte er in sich.“ (MoE 194) Dennoch zeigt er sich stets um Interessenaus- gleich bemĂŒht und Ă€ußert sich ablehnend gegenĂŒber jeglicher Form von Radi- kalitĂ€t, wie Diotima gegenĂŒber Ulrich betont : Arnheim sagt, man mĂŒsse die Mittel gebrauchen, die einem seine Zeit an die Hand gebe ; man soll sogar immer im Sinne zweier Ansichten handeln, nie ganz revolutio- nĂ€r und nie ganz gegenrevolutionĂ€r, nie völlig liebend, noch völlig hassend, nie einem Hang folgend, sondern alles entfaltend, was man in sich hat : Das ist aber nicht klug, wie Sie es ihm zumuten, sondern das Zeichen einer umfassenden, OberflĂ€chenunter- schiede durchstoßenden synthetisch-einfachen Natur, einer Herrennatur ! (MoE 470) Wie Diotima des Weiteren – und mit einigem Recht – ausfĂŒhrt, sei Ulrich in dieser Hinsicht das krasse „Gegenteil“ (MoE 470) von Arnheim, wieso er sich auch gegen die ihm vom Nabob angetragene Freundschaft so strĂ€ube. In der Tat scheint etwa die „große Liebe“, die Arnheim zur katholischen Kirche hegt (MoE 187), bei Ulrich schwerlich vorstellbar. Im auffallenden Unterschied zum biografischen Modell Rathenau328 hĂ€lt sich die Romanfigur Arnheim wiederholt und jeweils ungewöhnlich lang in der kakanischen Hauptstadt Wien auf. Hinsichtlich der geheimen Absichten, die sich hinter diesen Aufenthalten verbergen, kursieren in der erzĂ€hlten Ge- sellschaft die wildesten GerĂŒchte : So munkelt man etwa, er stehe „in Verbin- dung mit Rußland“, sei „ein intimer Freund von FĂŒrst Mosjoutoff und Persona grata beim Zaren“ und solle auf „private Initiative der russischen MajestĂ€t“ die Parallelaktion „pazifistisch beeinflussen“ (MoE 589) – so die ‚inoffizielle‘ Version des Diplomaten Tuzzi, der offenbar selber daran glaubt. Wenig spĂ€- ter weiß Gerda Fischel dann von ihrem Vater, dass Arnheim die „galizischen Ölfelder“ Kakaniens „unter die Kontrolle seines Konzerns bringen“ wolle (MoE 616).329 Auch vom ErzĂ€hler selbst wird mehrmals angedeutet, dass der 328 Vgl. Corino : Musil [2003], S. 872. 329 Galizien gehörte bis 1918 zu Österreich-Ungarn, nicht zu Russland, wie Blaschke : Der homo
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Kakanien als Gesellschaftskonstruktion Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
FWF-E-Book-Library
Title
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Subtitle
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
Author
Norbert Christian Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78740-2
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
1224
Keywords
Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorbemerkung 9
  2. Einleitung 11
    1. 1. Vom Scheitern eines Großkritikers : Aporien der Literaturkritik 11
    2. 2. Die MĂŒhen der Literaturwissenschaft : Aporien der Forschung 20
  3. TEIL I : GRUNDLEGUNG
    1. 1. Grundlagen der Untersuchung 43
      1. 1.1 Vorstellung der Methode : Bourdieus Sozioanalyse literarischer Texte 43
      2. 1.2 Methodologische EinwÀnde : Kritik der Sozioanalyse 58
    2. 2. Grundlagen der Poetik Musils 64
      1. 2.1 Der Mensch ohne Eigenschaften : ‚Gestaltlosigkeit‘ als ‚negative‘ Anthropologie 64
      2. 2.2 ‚Gestaltlosigkeit‘ und Romantext als Gesellschaftskonstruktion 80
    3. Gesellschaft im Roman 82
    4. Roman als Konstruktion 101
    5. Da capo : Angemessenheit und Vorgehensweise der Sozioanalyse 124
      1. 2.3 Medienkonkurrenz : Essayistisches vs. filmisches ErzÀhlen (Musil kontra Balåzs) 129
    6. 3. Grundbegriffe des Romankonzepts 165
      1. 3.1 Eigenschaftslosigkeit 165
      2. 3.2 Möglichkeitssinn und Essayismus 199
  4. TEIL II : ROMANTEXT ALS KRÄFTEFELD
    1. 1. „Versuchsstation des Weltuntergangs“ : Chronotopos und sozialer Raum 261
      1. 1.1 SelbstreferenzialitĂ€t und Außenreferenz : Das Eingangskapitel 261
      2. 1.2 Ein Land ohne Eigenschaften – Kakanien als Modell 282
      3. 1.3 Das Feld der Macht im Mann ohne Eigenschaften 300
    2. 2. „Zeitfiguren“ 1913/1930 „am gesellschaftlichen Schachbrett“ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
      1. 2.1 MĂ€nner 334
    3. Erben und Enterbte 344
    4. Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) – Der Dilettant Walter 347
    5. Mann mit Eigenschaften 378
    6. Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
    7. Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
    8. Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
    9. Aufsteiger und Gebremste 482
    10. Realpolitik als ‚Antiessayismus‘ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) – Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und ‚Jude‘ 501
    11. Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
    12. Terroristen und Propheten 548
    13. Forcierte ‚Eigenschaftlichkeit‘ : Der Antisemit Hans Sepp 558
    14. eingast, Faschist und Schwerenöter 584
    15. Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist Schmeißer 601
    16. Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem „Geiste des Expressionismus“ 613
      1. 2.2 Frauen 635
    17. Gefallene Geliebte 643
    18. Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
    19. Petrifizierte ‚Eigenschaftlichkeit‘, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
    20. Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
    21. Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
    22. Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
    23. Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
    24. Angepasste und Dissidentinnen 708
    25. Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
    26. Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
    27. 3. „Die falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaft“ : Konstellationen und Interaktionen 768
      1. 3.1 Gemischtgeschlechtliche Konstellationen : MĂ€nner und Frauen im 20. Jahrhundert 771
    28. Ehen in der Krise 781
    29. Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die „TrĂ€ger des Zeit- wandels“ Walter und Clarisse 788
    30. Von der physiologischen „Zwangsherrschaft“ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
    31. Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
    32. Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
    33. Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der ‚schönen Seele‘ : Ulrich und Bonadea 825
    34. Coitus interruptus als „Lustselbstmord“ : Ulrich und Gerda 844
    35. Liebesversuche jenseits der Ehe 885
    36. Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
    37. Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
    38. Liebe à la hausse, platonische „Begegnung zweier Berggipfel“ : Diotima und Arnheim 908
    39. Die „letzte Liebesgeschichte“ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
    40. 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
    41. Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
    42. Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, Preußen gegen Österreich 1005
    43. Der Intellektuelle und der Großschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
    44. Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
    45. Entgegengesetzte „Exponenten des Zeitgeistes“ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
    46. BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
  5. BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und Schmeißer 1086
  6. TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
    1. 1. Der Mann ohne Eigenschaften im zeitgenössischen literarischen Feld 1099
      1. 1.1 ‚Negative‘ Anthropologie als literaturpolitischer Einsatz 1101
      2. 1.2 Poetik des Essayismus – Musils vielfacher Bruch 1130
    2. 2. Autor und Romanheld in der Moderne – Musils indirekte Selbstanalyse 1152
  7. Literaturverzeichnis 1169
  8. Musil-Texte 1169
  9. Andere Quellen 1169
  10. Nachschlagewerke 1176
  11. Allgemeine Forschungsliteratur 1176
  12. SekundÀrliteratur zu Musil 1193
  13. Register 1208
    1. 1. Personen 1208
    2. 2. Literarische Figuren 1214
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