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459âZeitfigurenâ
1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ
kommen zu sein. Der Autor hat daraus sowie aus dem sich daran anschlie-
Ăenden Lebenslauf des Politikers im Arbeitsheft 8 ein ausfĂŒhrliches Exzerpt
angelegt (vgl. Tb 1, 366 f.). Direkt unter der TitelĂŒberschrift Nach Prinz Alois
Liechtenstein vermerkt Musil fĂŒr die romaneske Verwertung der im Folgen-
den notierten Informationen : âAls Harrach zeichnen. Einen Bewunderer
Liechtensteins, der selbst nicht politisch hervortritt.â (Tb 1, 366) Howald be-
tont hier die konzeptionelle Bedeutung des ideologischen Zusammenhangs :
âDie Stelle bildet ohne Zweifel den inhaltlichen Kern der Leinsdorf-Konzep-
tion ; denn zur gleichen Zeit muss Musil offenbar die BroschĂŒre Liechten-
steins, âĂber Interessenvertretung im Staate mit besonderer Beziehung auf
Ăsterreichâ, gelesen haben. Musil stĂŒlpte nun bestimmte Theoreme dieses
adligen Politikers ĂŒber seine persönlichen Erfahrungen mit Adligen beim
Heeresgruppenkommando.â371 Zwar habe der Autor âaus dem oben zitier-
ten Zeitungsartikel ĂŒber Prinz Liechtenstein zahlreiche biografische Details
notiertâ, doch stĂŒtze er sich âin der endgĂŒltigen Umsetzung [âŠ] vor allem
auf die theoretischen Vorstellungen Liechtensteins und vernachlÀssigt dessen
Biografie sowie dessen praktische Wirksamkeit als ParteifĂŒhrerâ.372
Neben den realhistorischen Aristokraten Harrach und Liechtenstein nennt
Corino darĂŒber hinaus mit dem Grafen Hans Karl BĂŒhl aus Hofmannsthals
Lustspiel Der Schwierige (1920) â das zeitweilig den Titel âDer Mann ohne Ab-
sichtâ trug â eine reizvolle literarische Anregung fĂŒr Musils Leinsdorf-Figur,
die wohl weniger in ideologischer als vielmehr in habitueller Hinsicht wert-
volles Anschauungsmaterial bot : BĂŒhls Anlage als prononciert österreichi-
scher Adeliger nimmt âdurch den Kontrast zu seinem deutschen GegenstĂŒck
Neuhoffâ die literarische Topik des âösterreichisch-deutschen Dualismusâ vor-
weg, welche spĂ€ter âauch die âParallelaktionâ in Musils Roman beherrscht. Nur
die drohende Peinlichkeit einer allzu deutlichen Anlehnung an Hofmannsthal
fĂŒhrte wohl dazu, daĂ Musil den Namen BĂŒhl, den er anfangs in den EntwĂŒr-
fen verwendete (Tb 1, 411, 597 f.), tilgte und durch Leinsdorf ersetzte.â373 Wal-
ter Fanta hat diese Suche nach einem geeigneten Namen, die fĂŒr die folgende
Analyse nicht von Belang ist, genauer dokumentiert.374
Zur endgĂŒltigen narrativen Figurengestaltung Leinsdorfs im kanonischen
Romantext, in die wohl auch Musils kritische Betrachtungen ĂŒber das sich im
âTerrakottagnomenstilâ (Tb 1, 432 ; vgl. Tb 2, 276, Anm. 50e) ausdrĂŒckende
371 Ebd.
372 Ebd., S. 251.
373 So Corino : Musil [2003], S. 854 f.
374 Vgl. Fanta : Die Entstehungsgeschichte des âMann ohne Eigenschaftenâ, S. 232.
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Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Title
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Subtitle
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Author
- Norbert Christian Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 1224
- Keywords
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208