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692 Teil II: Romantext als KrÀftefeld
ten âZelleâ Moosbruggers âmit ihrem Ichâ stellt jene âIdentifikationâ dar, welche
die Medizinische Psychologie als âdie teilweise oder völlige Verdichtung der eige-
nen Persönlichkeit mit Personen oder Dingen der AuĂenweltâ beschreibt.1061
Ăhnliches gilt fĂŒr das âSchwinden der Kategorien âRaum und Zeitââ, das nach
Kretschmer âfĂŒr die Asyntaxis der Traumbilder die gröĂte Rolleâ spielt :
FrĂŒheste Kindheitserinnerungen gehen mit gestrigen Neuerlebnissen ganz leicht in
einen einheitlichen seelischen Akt ein. Sie erscheinen im Traum ebenso als momen-
tane Gegenwart wie die ZukunftswĂŒnsche, deren ErfĂŒllung er im Bilde vorspiegelt.
Ebenso fallen die Schranken rÀumlicher Ordnung, indem weit entfernte Menschen
und Dinge in eine Szene vereinigt werden.1062
Das wachtrÀumerische Denken Clarisses ist insgesamt durch eine Auflösung
ihres Ichkomplexes und der Subjekt-Objekt-Relation, der Kategorien âRaum
und Zeitâ sowie der kausalen Logik gekennzeichnet1063, wie die Fortsetzung
der eben zitierten figĂŒrlichen Psychonarration ihrer zumeist bildlichen Wahr-
nehmungen belegt :
Moosbrugger saĂ mit aufgestĂŒtztem Haupt, und sie löste seine Fesseln. WĂ€hrend
sich ihre Finger bewegten, kam Kraft, Mut, Tugend, GĂŒte, Schönheit, Reichtum in
die Zelle, wie ein Wind, durch ihre Finger gerufen, der von verschiedenen Wiesen
kommt. âEs ist ganz gleichgĂŒltig, warum ich das tun magâ fĂŒhlte Clarisse âwichtig ist
nur, daĂ ich es jetzt tue !â Sie legte ihm ihre HĂ€nde, einen Teil ihres eigenen Körpers,
auf die Augen, und als sie die Finger wegzog, war Moosbrugger ein schöner JĂŒngling
geworden, und sie selbst stand als eine wunderbar schöne Frau neben ihm, deren
Körper so sĂŒĂ und weich war wie SĂŒdwein und gar nicht widerspenstig, wie es der
Körper der kleinen Clarisse sonst war. âEs ist unsre Unschuldsgestalt !â stellte sie in
einer tief unten denkenden Schicht ihres BewuĂtseins fest. (MoE 146 f.)
charakter, die festen empirischen Möglichkeiten nach Raum und Zeit werden gewahrt. [âŠ]
Sowohl im logischen wie im gegenstĂ€ndlichen Sinne sind also diese Bildserien asyntaktisch. [âŠ]
Sogleich erhellt uns auch ein Zweites : Die asyntaktische Bildserie ist zwar fĂŒr sich allein sinn-
los, aber durchaus sinnvoll, wenn wir sie im Zusammenhang mit dem [âŠ] Wachdenken [âŠ]
symbolisch verstehen.â Kretschmer betont in diesem Kontext âdie beherrschende Rolle, die
affektive Strömungen bei dem Zustandekommen der Bildagglutinationen des Traumes spielenâ
(S. 59), wobei es auch solche gebe, die ânur durch die formalen Assoziationsgesetze, durch
Ă€uĂere Ăhnlichkeit, durch zeitliche Zusammengehörigkeit u. Ă€. bedingtâ erscheinen (S. 60 f.).
1061 Ebd., S. 64.
1062 Ebd.
1063 Vgl. ebd.
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book Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Title
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Subtitle
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Author
- Norbert Christian Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 1224
- Keywords
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208