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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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20 Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus und Gegenleistungen festgeschrieben. Unter den Schutzbestimmungen finden sich neben dem Tötungs- und Verletzungsverbot ein Schutz vor Zwangstaufe sowie der Schutz jüdischen Eigentums. Allen Christen, die einem Juden körperlichen Schaden zufügten, heilige Orte oder Sakralgegenstände schändeten oder jüdische Feiertage störten, drohte der Herzog schwere Strafen an. Die Verwüstung eines jüdischen Friedhofs sollte mit dem Tode bestraft werden.43 Als nach dem Aussterben der Babenberger der böhmische Herrscher Ottokar II. die Macht über die österreichischen Länder gewann, kam es 1254 zu einem Pri- vileg für die Juden Böhmens, Mährens, Österreichs und der Steiermark, das im Wesentlichen den Bestimmungen des Fridericianums folgte.44 Die umfangreichen Förderungen und Begünstigungen durch den Landesherrn, die nicht nur zu einem Aufblühen der Judengemeinden von Wiener Neustadt, Tulln, Krems, Friesach und Klosterneuburg, sondern auch zu einer lebensweltlichen Angleichung von Christen und Juden führte, erregten jedoch alsbald das Missfallen der Kirche. 1267 erhob das Wiener Provinzialkonzil die größtmögliche soziale und gesellschaftliche Tren- nung von Christen und Juden  – wie sie schon beim vierten Laterankonzil von 1215 gefordert wurden  – zum Programm. Die kanonischen Bestimmungen dieses unter Führung von St. Stephan in Wien veranstalteten Konzils, das die Beziehungen von Juden und Christen bis ins Einzelne regeln wollte, beinhalteten unter anderem die Pflicht, den gehörnten Judenhut zu tragen, das Gebot, am Karfreitag, oder wenn das Sakrament des Altars auf den Straßen vorbeigetragen wurde, in den Häusern zu bleiben ; das Verbot, christliche Dienstboten zu halten ; das Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden ; das Verbot des geschlechtlichen Verkehrs zwischen einem Juden und einer Christin ; das Verbot, mit Christen gemeinsam zu essen, zu trinken und zu feiern ; das Verbot, christliche Badehäuser aufzusuchen ; das Verbot, unmäßige Zinsen zu nehmen sowie (für Christen) das Verbot, Fleisch und andere Speisen bei Juden zu kaufen.45 Die Canones von St. Stephan wurden nie Gesetz, und sie spie- geln auch kaum die Realität jener Zeit wider, prangern sie doch den nach Ansicht der Kirche viel zu lockeren gesellschaftlichen Verkehr zwischen Juden und Christen an. Doch finden sie sich nicht nur in verschiedenen Judenordnungen der frühen Neuzeit, sondern  – sieben Jahrhunderte später  – in wesentlichen Bestimmungen der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung wieder (etwa im als Teil der Nürnberger Gesetze am 15. September 1935 erlassenen »Gesetz zum Schutze des deutschen Blu- tes und der deutschen Ehre«).46 43 Vgl. Lohrmann, Wiener Juden, S.  41. 44 Vgl. Jochen A. Fühner : Kaiser Maximilian I. und die Juden in den österreichischen Erblanden (=  Mit teleuropäische Studien I) (Herne 2007), S.  19f. 45 Lohrmann, Wiener Juden, S.  142f. 46 Vgl. Burger/Wendelin, Praxis, S.  283.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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