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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 23 -
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Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern 23 werden. Ausweisungen  – etwa unter Erzherzog Mathias im Jahr 1611  – und Neu- privilegierungen lösten einander auch das ganze 17. Jahrhundert hindurch ab. Dabei war die Situation in den einzelnen Kronländern äußerst unterschiedlich : Lebten in Innerösterreich nach 1496 überhaupt keine Juden mehr, kam es in Österreich unter der Enns (Niederösterreich) zu einer Konsolidierung bzw. Neuetablierung jüdischer Gemeinden an etwa fünfzig Orten, sodass der englische Arzt und Reisende Edward Brown in seinen Reiseerinnerungen erstaunt notierte : »gantze Dörffer voll Juden«.56 Auch in Wien bekamen die Juden schließlich die Möglichkeit der Wiederan- siedlung. In einem Privileg von 1624 wies Kaiser Ferdinand II. ihnen das »Untere Werd« (auch : untere Wird), die heutige Leopoldstadt, als alleinige Wohnstatt zu. Voraussetzung für die Ansiedlung in der neuen Judenstadt war die Besitzfähigkeit, die ein weiteres Patent von 1632 regelte. Vor allem durch Zuzug aus Prag entwi- ckelte sich aus den ursprünglich nur vierzehn Häusern des »Unteren Werd« rasch eine blühende Judengemeinde mit etwa 3000 Einwohnern, autonomer Verwaltung und einer beeindruckenden Infrastruktur.57 Doch eine Mischung aus wirtschaft- lichem Neid und christlichem Aberglauben führte im Jahr 1670 unter Leopold I. wiederum zur Vertreibung der Juden aus Wien und Niederösterreich.58 Voraus ging dieser neuerlichen Austreibung eine genaue »Seelenerhebung«. Ende Juni 1669 wurde von den in Wien wohnenden Juden ein innerhalb von acht Tagen einzurei- chendes Verzeichnis eingefordert, das neben einer Namensliste  – betroffen waren 1346 Personen  – und dem genauen Wohnort auch die geleisteten Steuern und Ab- gaben umfassen sollte. Derlei »Judenkonskriptionen« fanden seit Beginn des 16. Jahrhunderts in den böhmischen Ländern statt. Dienten sie ursprünglich rein fiska- lischen Zwecken, so wurden sie im Falle Wiens auch zur Vorbereitung und Unter- stützung der Vertreibung genutzt.59 Nach dieser leopoldinischen Austreibung wurde nur mehr sehr wenigen wohl- habenden Juden (den Hoffaktoren) der Aufenthalt in der Residenz erlaubt. Nur ein- 56 Zit. nach : Barbara Staudinger : Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich 1496–1670/71, in : David  – Jüdische Kulturzeitschrift, www.david.juden.at/kulturzeitschrift/61–65/63-Staudinger-htm. 57 Karl Artner et al. (Hg.) : Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch (Wien 1937), S.  43ff. 58 Die exakten Gründe hierfür sind bis heute ungeklärt. Neben einer judenfeindlichen Strömung am Wiener Hof (als Beleg dafür wird immer wieder das zurückgewiesene Geschenk einer silbernen Wiege durch die abergläubische Kaiserin genannt), Rivalitäten zwischen den kaiserlichen Räten und Judenfeindschaft der Wiener Bürgerschaft werden auch Vorgänge innerhalb der Judengemeinde selbst genannt : eine Steuerprüfung, ein Korruptionsprozess und ein Mordfall. Vgl. Peter Rauscher : Die Vertreibung der Juden aus Wien und Niederösterreich im Jahr 1670, Vortrag beim Symposium »Wiens jüdische Gemeinde im 17. Jahrhundert«, Wien, 24. Mai 2006 ; www.misrachi.atindex.php/ geschichte-der-juden-in-wien/49-symposium-wiens. 59 Anton Tantner : Ordnung der Häuser, Beschreibung der Seelen  – Hausnumerierung und Seelenkon- skription in der Habsburgermonarchie, phil. Diss. (Wien 2004), S.  19.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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