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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 66 -
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66 Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus In Wien mussten Juden jetzt, wollten sie Grundbesitz erwerben, ein Majestätsgesuch einreichen und »besondere Verdienste« geltend machen. Das bedeutete, dass öster- reichische Juden gegenüber ausländischen schlechter gestellt waren, da es beispiels- weise preußischen jüdischen Untertanen sehr wohl gestattet war, in Wien Haus- und Grundbesitz zu erwerben.214 Tatsächlich war der Rechtszustand der Juden (nach Kronländern differenziert) bis zum Jahr 1859 etwa jener, wie er vor der Revolution von 1848 bestanden hatte215, d. h. viele der alten Sonderrechte traten wieder in Kraft. Juden wurden durch Gesetz oder durch die Rechtspraxis vom Staatsdienst ausgeschlossen216, in ihrer Freizügig- keit stark eingeschränkt und das Grundbesitzrecht blieb ihnen versagt. Bereits er- worbene Güter und Häuser durften zwar behalten, doch nicht vererbt werden. Nach und nach wurden seitens der Landesregierungen die alten, Juden exkludierenden Gesetzesbestimmungen  – teilweise durch Republikation alter Dekrete  – wieder in Kraft gesetzt. So hatte etwa die Böhmische Statthalterei eine fragwürdige Entschei- dung bezüglich der Stellung christlicher Dienstboten bei Juden getroffen, die un- ter den Juden sowie bei in- und ausländischen Presseorganen für Empörung sorgte, sodass der Kaiser der Statthalterei einen Bericht abverlangte und mit allerhöchster Entschließung vom 23. November 1853 bestimmte, »dass keine Länderstelle in Ju- densachen Verordnungen ohne Zustimmung des Ministeriums des Inneren erlassen dürfe.«217 Auch in Galizien und Ungarn hatten die Statthalterei bzw. die Komitats- behörde ein Hofdekret von 1817 republiziert, wonach es Juden verwehrt war, christ- liche Dienstboten zu halten, ein Topos, der sich in vielen alten Judenordnungen fand und über Jahrhunderte fortgeschrieben worden war.218 Trotz des kaiserlichen Verbots ließen einzelne Landesregierungen immer mehr überwunden geglaubte Ju- den exkludierende Verordnungen wieder aufleben, sodass 1855 Innenminister Bach die Unterbehörden sogar ausdrücklich darauf hinweisen musste, dass diese aufgeho- ben und Juden sehr wohl Gemeindeangehörige und »österreichische Staatsbürger« 214 Vgl. Wolf, Juden, S.  158. 215 Von der geringen Bedeutung der bürgerlichen Revolution von 1848 für die Emanzipation der Juden ist u. a.Werner Mosse überzeugt. Vgl. Werner E. Mosse : From »Schutzjuden« to »Deutsche Staatsbürger Jüdischen Glaubens«. The Long and Bumpy Road of Jewish Emancipation in Ger- many, in : Birnbaum/Katznelson, Paths of Emancipation, a.a.O., S.  59–93, hier : S.  83f. 216 So wurde im Ministerkonferenz vom 4. Oktober 1853 beschlossen, die zahlreich eingegangenen Ansuchen um Aufnahme in den Staatsdienst seitens »Individuen jüdischen Glaubens« bis zu einer endgültigen kaiserlichen Verfügung über diesen Gegenstand nicht nachzukommen, »aber auch bis zum Bekanntwerden der diesfälligen Ah. Befehle nicht definitiv zurückzuweisen«. ÖMProt. III/2, Nr. 156 v. 3. September 1853, S.  309. 217 ÖMProt. III/2, Nr. 154 v. 20. August 1853, Fußnote 10. 218 Jacques, Denkschrift, S.  XCVI.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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