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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 122 -
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122 Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit wo erstmals die Forderung des Ausschlusses von Juden erhoben worden war sowie den wüsten antisemitischen Tiraden Georg Ritter von Schönerers und Karl Luegers  – schufen ein Klima, das Joseph Bloch und andere liberale Juden an ihrer bisherigen Neutralität in allen nationalen Belangen zweifeln ließ, sodass es 1885 zur Bildung der »Österreichisch-Israelitischen Union«, einer Art Wählervereinigung und Schutz- organisation, kam423, die sich in besonderer Weise der Bekämpfung des Antisemi- tismus und der Wahrung der staatsbürgerlichen Rechte von Juden verpflichtet sah. Längst schon war sie wieder da : die überwunden geglaubte »Judenfrage«. Theo- dor Herzl hatte sie  – nach der Dreyfus-Affäre in Frankreich, die Ende der 1890er- Jahre ganz Europa erschütterte  – mit der zionistischen Option auf die Bühne der Weltpolitik gehoben.424 In seinem 1896 erschienenen Buch »Der Judenstaat« ent- faltete er die Judenfrage als eine »nationale Frage«, die nur durch die Schaffung eines eigenen Staates für die Juden zu lösen sei.425 In Österreich-Ungarn kam es, von der Weltöffentlichkeit weniger bemerkt als in Frankreich, im Umfeld und als Nachspiel der Badeni-Krise, beinahe gleichzeitig zu einem heftigen Ausbruch von Antisemi- tismus : Vordergründig ein Konflikt zwischen Tschechen und Deutschen um die in- nere Amtssprache in Böhmen und Mähren, der die Monarchie in eine ihrer größten Staatskrisen führte, wurden in der letzten Phase der Auseinandersetzungen die anti- semitischen Töne immer lauter. So verzeichnet etwa das stenographische Protokoll des Abgeordnetenhauses am 27. November 1897, als das Parlament zum letzten Mal zusammentrat, nach schweren Tumulten den Ruf : »Hinaus mit dem Juden Blumen- stock ! Der ist Schuld an allem !«426 Der Krakauer Jurist und enge Vertraute Badenis blieb nicht der Einzige, der als (getaufter) Jude zwischen die Mühlen des Nationalitätenkampfes geraten sollte. Während im Frankreich der Dreyfus-Affäre der Antisemitismus häufig gepaart war mit einem Antigermanismus (der sich aus dem Verlust von Elsass-Lothringen speiste), trat er in Österreich häufig zusammen mit einem Antislawismus auf (etwa bei Schönerer und Wolf, den krakeelenden Volksvertretern der »Alldeutschen«, oder beim späteren Wiener Bürgermeister Karl Lueger, der seinen Wahlkampf gleicher- maßen mit antislawischen wie antisemitischen Parolen würzte).427 Auf tschechischer 423 Ebenda, S.  465. 424 Der Antisemitismus »wirkte auf mich«, bekannte Herzl damals, »wie wenn ich einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte«. Vgl. Theodor Herzl : Zionistische Schriften (Berlin 1920), S.  256f. 425 Theodor Herzl, Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage [Leipzig/Wien 1896] (Zürich 2006). 426 Gemeint war der Kanzleidirektor des Parlaments, Heinrich Ritter von Halban Blumenstock. Vgl.: Hannelore Burger/Helmut Wohnout, Eine »polnische Schufterei« ?  – Die Badenischen Sprachen- verordnungen für Böhmen und Mähren 1897, in : Michael Gehler/Hubert Sickinger (Hg.) : Politi- sche Affären und Skandale in Österreich (Wien/München 1995), S.  79–98. 427 Zur Eroberung Wiens durch die Antisemiten siehe : Boyer, Karl Lueger, S.  123ff.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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