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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 131 -
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Seite - 131 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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Juden im Ersten Weltkrieg 131 reich durch unzureichende staatsbürgerliche Rechte und dauernde Pogrome ge- kennzeichnet war.463 Maureen Healy wies unlängst darauf hin, dass in Kriegszeiten viele Staatsbürger  – und zwar positiv wie negativ  – ein geschärftes Bewusstsein für den Staat entwickeln, das vorher so nicht existiert hatte.464 Diese These trifft gewiss auch für die österreichischen Juden zu, von denen 300 000 in den Jahren des Ersten Weltkrieges in der k. u. k. Armee dienten, wobei insbesondere den Reserveoffizieren große Bedeutung zukam, da in den ersten Kriegsmonaten eine enorme Zahl von Berufsoffizieren ihr Leben ließ, sodass diese sehr bald zum Einsatz kamen. In man- chen Fällen mögen Juden den Krieg als eine Chance empfunden haben, nicht nur ihre staatsbürgerliche Verpflichtung zu erfüllen, sondern darüber hinaus auch ihre Loyalität, Treue und Zugehörigkeit zu diesem Staat unter Beweis zu stellen.465 Ge- holfen hat ihnen das freilich wenig. Je länger der Krieg dauerte, desto stärker wurden antisemitische Parolen wie die Rede vom »inneren Feind«, einer »fünften Kolonne« oder von den vom Krieg profitierenden Juden laut.466 So wurde Juden immer wieder unterstellt, statt Kriegsanleihen zu zeichnen, sich vom Kriegsdienst freizukaufen, sie wurden aller Arten von Verrat und Verschwörungen beschuldigt oder als Urheber mysteriöser Krankheiten verdächtigt.467 Etwa zehn Prozent aller Berufs- und Reser- veoffiziere waren Juden468, über tausend (etwa 6,8 Prozent aller Offiziere) fielen. An Mut, Tapferkeit und Patriotismus ließen es die jüdischen Offiziere also  – entgegen aller anderslautenden Behauptungen der Antisemiten  – genauso wenig fehlen wie ihre übrigen Kameraden. Die Hälfte der jüdischen Berufsoffiziere und 7,2 Prozent der jüdischen Reserveoffiziere wurde mit einem Orden der dritten oder einer höhe- ren Klasse ausgezeichnet469  – eine Tatsache, der anfänglich sogar die Nationalsozi- alisten Respekt zollten, als sie die jüdischen Teilnehmer des Ersten Weltkrieges, die sogenannten »Frontkämpfer«, auf Druck von Reichspräsident Hindenburg zunächst von einigen ihrer Verfolgungsmaßnahmen ausnahmen.470 463 Siehe dazu die hervorragende Studie von Marsha L. Rozenblit : Reconstructing a National Identity : The Jews of Habsburg Austria During World War (Oxford/New York 2001). 464 Healy : Vienna and the Fall, S.  10. 465 Rozenblit, National Identity, S.  9. 466 Belinda Davis : Experience, Identity, and Memory : The Legacy of World War I, in : The Journal of Modern History 75 (März 2003), S.  111–131, hier : S.  121f. 467 Healy, Vienna and the Fall, S.  83, 145 u. 301. 468 Ebenda, S.  84. 469 Ebenda, S.  84f. 470 Noch bis etwa 1936 blieben jüdische dekorierte Teilnehmer des Ersten Weltkrieges von gewissen Diskriminierungen und Verfolgungen verschont. So waren wegen eines Einspruchs Hindenburgs »Frontkämpfer« und deren Hinterbliebene vom Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamten- tums noch nicht betroffen. Vgl. Michael Berger : Eisernes Kreuz und Davidstern. Die jüdischen Soldaten in den deutschen Armeen (Berlin 2006).
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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