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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 136 -
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136 Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik Wien zu erlangen.483 Ein von der Nationalversammlung am 27. November 1918 be- schlossener Entwurf für ein deutsch-österreichisches Staatsbürgerschaftsgesetz wollte die Erlangung der Staatsbürgerschaft überhaupt von einem vorher abzulegenden »Be- kenntnis zur deutschen Nation« abhängig machen.484 Verlautbart wurde das Gesetz in dieser Form allerdings schon aus formalen Gründen nicht, da, wie Staatskanzler Renner scharfsinnig erkannte, es wegen der eklatanten Verletzung von Minderhei- tenrechten nicht nur die Empörung der ausländischen Presse hervorgerufen haben würde, sondern weil die Republik Deutschösterreich am Tage der Kundmachung des Gesetzes damit überhaupt keine Staatsbürger gehabt hätte.485 Renner gelang es schließlich, einen Gesetzesentwurf im Parlament durchzubringen, wonach allen im Gebiet der Republik Heimatberechtigten ipso jure die österreichische Staatsbürger- schaft zukommen sollte. § 1 des am 5. Dezember 1918 kundgemachten Gesetzes über das deutschösterreichische Staatsbürgerrecht verkündete dementsprechend : »Deutschösterreichische Staatsbürger sind alle Personen, die zur Zeit der Kundma- chung dieses Gesetzes in einer Gemeinde der Deutschösterreichischen Republik hei- matberechtigt sind«.486 Doch auch Personen, »die ihren ordentlichen Wohnsitz erst nach dem 1. August 1914 nach Deutschösterreich verlegt haben« (bzw. in Zukunft verlegen würden), sollten, sofern sie in einer außerhalb der Republik Deutschöster- reich gelegenen Gemeinde des bisherigen Österreich heimatberechtigt gewesen wa- ren, die Möglichkeit haben, durch Erklärung Staatsbürger zu werden, mit Ausnahme allerdings  – so die Regelung in § 2 Absatz 2 des Gesetzes  – »Dalmatiens, Istriens und Galiziens«487, also gerade jener ehemaligen Kronländer mit entweder geringem deutschen Bevölkerungsanteil bzw. (im Falle Galiziens) mit einem besonders hohen jüdischen Bevölkerungsanteil. Die Verhinderung der Einbürgerung von »Ostjuden« wurde von nun an zum Leitmotiv österreichischer Staatsbürgerschaftspolitik. 483 Darunter auch der liberale jüdische Abgeordnete Julius Ofner, der zehn Jahre zuvor engagiert für die Einbeziehung der »unteren Klassen« in das Heimatrecht gekämpft hatte, vgl. auch : Grandner, Staatsbürger, S.  63. 484 Svjatoslav Pacholkiv bringt dies in Zusammenhang mit einer neuerlichen Flüchtlingswelle nach dem Novemberpogrom in Lemberg, das nach dem Zusammenbruch der Monarchie von Teilen der polnischen Bevölkerung als eine Art Strafgericht an den Juden Lembergs wegen ihrer vermeintli- chen Neutralität während der 21-tägigen ukrainischen Herrschaft verübt wurde. Vgl. Svjatoslav Pacholkiv : Vertraut und fremd zugleich, in : Alexandra Binnenkade et al. (Hg.) : Jüdisch-christliche Nachbarschaft in Warschau, Lengnau, Lemberg (Köln 2009), S.  180ff. 485 Grandner, Staatsbürger, S.  65. 486 Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich (StGBl) 1918/91. 487 Zum Erwerb der Staatsbürgerschaft nach § 2 StbG 1918 siehe : Dieter Kolonovits : Rechtsfragen des Wiedererwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Opfer des Nationalsozialismus (Vertriebene) nach österreichischem Staatsbürgerschaftsrecht, in : Staatsbürgerschaft und Vertrei- bung (=  Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 7), Erster Teil (Wien 2004), S.  7–238, hier : S.  41f.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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