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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 138 -
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Seite - 138 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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138 Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik Juden in den meisten Fällen anerkannt. Im Allgemeinen genügte es, seine »Zugehö- rigkeit zum österreichischen Volke« zu bekennen und sich »mit Familien- und staats- bürgerlichem Leben ganz an Österreichs Verhältnisse angepasst« zu haben.492 Doch für aus Galizien und der Bukowina stammende Juden galten andere Regeln. Schon kurz vor dem Inkrafttreten des Staatsvertrags von St-Germain gingen auf der admi- nistrativ-praktischen und nach seinem Inkrafttreten auch auf der legistischen Ebene die Bemühungen fast aller politischen Kräfte dahin, zu einer solchen Interpretation des Artikel 80 zu gelangen, die die Anerkennung von Optionen von in Österreich verbliebenen »Ostjuden« unmöglich machen würde. So bestimmte eine Vollzugs- anweisung des Innenministeriums vom 20. August 1920, dass die Optanten »nach Rasse und Sprache zur deutschen Mehrheit der Bevölkerung« gehören sollten.493 Nur ausnahmsweise und im Falle von prominenten oder wohlhabenden Juden, wie etwa im Falle des Schriftstellers Joseph Roth, wurde bei aus den östlichen Gebieten der Monarchie stammenden Juden eine Option für Österreich anerkannt.494 Als die Anmeldefrist für Optionen am 15. Jänner 1921 zu Ende ging, waren viele Ansuchen unbearbeitet geblieben. Nach dieser Frist aber wurde es für auf dem Staatsgebiet der neuen Republik lebende, aus Galizien oder der Bukowina stammende Juden noch schwieriger, zur Anerkennung ihrer Optionen zu kommen.495 Denn mit einer Resolution des Plenums des österreichischen Nationalrats vom 10. März 1921 war die Regierung nicht nur aufgefordert worden, sich bei der Erledigung von Opti- onsansuchen »strengstens an die Bestimmungen des Artikel 80 des Staatsvertrages von St-Germain zu halten«, sondern auch »insbesondere der Forderung der Rasse- zugehörigkeit zur Mehrheit der österreichischen Bevölkerung gebührend Rechnung zu tragen«.496 Zusammen mit einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 9.  Juni 1921, mit welchem das Optionsansuchen des aus Galizien stammenden Mo- ses Dym wegen Nichterbringung des Beweises »der Zugehörigkeit zur deutschen Mehrheit der österreichischen Bevölkerung« abgewiesen worden war497, bildete 492 Lukas Langhoff : Staatsbürgerrecht und Heimatrecht in Österreich (Wien 1920), S.  22. 493 Zit. nach : Grandner, Staatsbürger, S.  75. 494 Vgl. Edward Timms : Citizenship and ›Heimatrecht‹ after the Treaty of Saint-Germain, in : Austrian Studies V (1994), S.  158–168, hier : S.  163. 495 Gründlich untersucht wurde der gesamte Komplex der jüdischen Option in einer Dissertation von Oskar Besenböck : Die Frage der jüdischen Option in Österreich 1918–1992, phil. Diss. (Wien 1992). 496 Stenographische Protokolle des Nationalrates der Republik Österreich, 1920–1923. Wien 1923, S.  57 (Hervorhebung nicht im Original). 497 Die Mehrheit des Verwaltungsgerichtshofes war anlässlich des Falls Dym zu der Erkenntnis gelangt, dass »Rasse« eine dem Menschen »angestammte, ihm inhärente, durch physische und psychische Momente bestimmte und charakterisierte Eigenart dauernden Charakters« sei. Erkenntnis des Ver- waltungsgerichtshofs vom 9. Juni 1921, zit. nach : Grandner, Staatsbürger, S.  79.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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