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Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 149
mit der am 15. September 1941 verordneten Pflicht, einen gelben Stern auf der Klei-
dung tragen zu müssen. Dieser Ausgrenzungs- und Entrechtungsprozess ist oft be-
schrieben worden, doch selten wurde auf die Systematik und die historischen Bezüge
hinter dem Verordnungswust aufmerksam gemacht, selten die longue durée der von
den Nationalsozialisten angeordneten Maßnahmen erkannt.
Mit zahlreichen weiteren Verordnungen, insbesondere den dreizehn Verordnun-
gen zum Reichsbürgergesetz, wurden über Jahrhunderte hart erkämpfte staatsbür-
gerliche Rechte apart und nacheinander zurückgenommen, wie etwa die Zulassung
zum Arztberuf532 (die Approbationen jüdischer Ärzte erloschen am 30. September
1938), zum Beruf des Zahnarztes, Tierarztes und Apothekers533, der Zugang zum
Notariat und zum Anwalts- und Patentanwaltsberuf.534 Während es jedoch im
532 Die Vierte Verordnung vom 25. Juli 1938 war die erste, die zeitgleich in Österreich und dem übri-
gen Reich kundgemacht wurde. Sie schloss Juden grundsätzlich von der Ausübung des Arztberufs
aus. Einzelnen Juden konnte das Reichsinnenministerium die Ausübung des Arztberufs gestatten,
wenn diese ausschließlich Juden behandelten. Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich
vom 25. Juli 1938. GBlÖ 1938/320.
533 Achte Verordnung zum Reichsbürgergesetz, kundgemacht in Österreich am 17. Januar 1939,
GBlÖ 1939/106.
534 Mit der Fünften Verordnung zum Reichsbürgerschaftsgesetz vom 27. September 1938 wurde ver-
fügt, dass jüdische Rechtsanwälte aus der Liste der Rechtsanwälte zu löschen waren. Eine Aus-
nahme wurde lediglich bei Anwälten gemacht, die Teilnehmer des Ersten Weltkrieges gewesen wa-
ren (Frontkämpfer). Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich vom 27. September 1938,
Abb. 16 : Träger des gelben Sterns nach der
Verordnung vom 15. 9. 1941 (Das Foto entstand
zu Propagandazwecken für die NS-Presse) ; Quelle :
ÖNB/Wien, Bildarchiv
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
- Untertitel
- Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
- Autor
- Hannelore Burger
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79495-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 292
- Schlagwörter
- Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
- Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
- Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
- Die josephinische Zäsur 26
- Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
- Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
- Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
- Die Vertretung der Tolerierten 39
- Das Judenamt 40
- Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
- Taufen und Nobilitierungen 47
- Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
- Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
- und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
- Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
- Juden als österreichische Reichsbürger 62
- Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
- Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
- Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
- Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
- Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
- Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
- Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
- Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
- Paradoxe Fremde 85
- Die dualistische Verschärfung 86
- Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
- Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
- Heimatrecht und soziale Frage 91
- Der Fall Dr. Hugo Stark 92
- Der Fall Julia Singer 93
- Der Fall Lea Weitzmann 95
- »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
- Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
- Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
- Kafkas Sprachen 100
- Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
- Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
- Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
- Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
- Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
- Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
- Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
- Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
- Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
- Juden im Ersten Weltkrieg 130
- Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
- Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
- Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
- Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
- Signaturen der Vertreibung 152
- Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
- Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
- Der Fall Raviv 172
- Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
- Der Fall Elias Canetti 188
- Der Fall Manès Sperber 200
- Semantische Nachbemerkungen 213
- Verzeichnis der Archive 222
- Literaturverzeichnis 223
- Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
- Zeittafel 245
- Register 264
- Personen 264
- Orte 269
- Sachen 271