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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 157 -
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Seite - 157 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 157 unmöglich Erscheinende möglich zu machen.566 Ähnlich sieht es der israelische His- toriker Yaakov Lozowick. Er siedelt die Initiative zur Ermordung der Juden bei den von ihm untersuchten Bürokraten des Reichssicherheitshauptamtes an. Auf niede- rer Rangebene seien in den Jahren 1940/41 Überlegungen, die auf Ermordung von Juden im großen Stil hinausliefen, bereits sehr weit gediehen und in Form von Vor- schlägen nach oben weitergereicht worden. Dadurch habe man auf höchster Ebene gewusst, dass die Männer an der Front bereit waren, auch noch einen Schritt weiter zu gehen. Nach Lozowick bleibt vieles im Dickicht der Bürokratie verborgen, sodass es unmöglich erscheine, Urheber und Initiator der »Endlösung« zu identifizieren.567 Moderat intentionalistisch argumentiert hingegen der amerikanische Historiker Christopher Browning, der die Entscheidung Hitlers, die das Schicksal der euro- päischen Juden besiegelte, auf Anfang Oktober 1941 datiert, wobei er von einem »stufenweisen, kontinuierlichen Entscheidungsprozess« ausgeht.568 Seinem Szena- rio zufolge erteilte Hitler (an Heydrich) Mitte Juli 1941 den Auftrag zur Ausarbei- tung eines Planes für die »Lösung der Judenfrage« und gab Anfang Oktober grünes Licht für die Ausführung der ihm vorgelegten Konzeption. In den darauf folgenden Monaten seien die ersten Schritte erfolgt. In den sich erweiternden Kreis der Ein- geweihten der »Endlösung« wurden die Beamten des Auswärtigen Amtes und des »Ostministeriums« einbezogen. Die ersten Vernichtungsaktionen erfolgten dann im November 1941. Doch erst im Mai 1942 habe man mit dem systematischen Mas- senmord an den Reichsjuden begonnen.569 Soweit drei exemplarische Positionen ei- ner nicht enden wollenden Kontroverse, die keineswegs bloß scholastischer Natur ist, hat sie doch, wie Browning zurecht sagt, zentrale Bedeutung für das Begreifen der Natur der NS-Herrschaft überhaupt.570 Für alle hier skizzierten Theorien gibt es gute Argumente, aber keinen empirisch belegbaren Beweis, etwa den eines Dokuments. Zunehmend setzen sich daher eher prozessuale Beschreibungen durch, in denen die Auffassung vertreten wird, dass sich die »Endlösung« auf so etwas wie eine Politik der Konsensbildung stützte,571 bis eine neue Generation von Holocaustforschern (der Wiener Hans Safrian, der hol- ländische Historiker L. J. Hartog und der Berliner Historiker Christian Gerlach) 566 Götz Aly : »Endlösung«. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden. (Frankfurt a. M. 1999), S.  306. 567 Yaacov Lozowick : Hitlers Bürokraten. Eichmann, seine willigen Vollstrecker und die Banalität des Bösen (Zürich/München 2000), S.  103. 568 Christopher R. Browning, Judenmord. NS-Politik, Zwangsarbeit und das Verhalten der Täter (Frankfurt a. M. 2001), S.  83. 569 Ebenda, S.  82. 570 Vgl. ebenda, S.  47. 571 Browning, Judenmord, S.  53.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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