Seite - 35 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen | 35
den bewilligt. Aus einem in der bisherigen Forschung nicht beachteten Beleg in den
Beständen des Steiermärkischen Landesarchivs erhellt, dass Nicolò am 9. Mai 1577
von Erzherzog Ernst63 zusammen mit Pietro Ferabosco, Ottavio Baldigara und Franz
von Poppendorf nach Nagykanizsa/Kanischa geschickt wurde, um dort die Schäden an
der von einem Blitz getroffenen Festung zu begutachten.64 Auffällig ist dabei in jedem
Fall, dass Nicolò bereits wenige Monate nach seiner Rückkehr von einem mehrjähri-
gen Aufenthalt in der Heimat65 in die Kreise der höchst renommierten Festungsbau-
spezialisten seiner Zeit Eingang fand und dabei im Auftrag des jüngeren Sohnes des
im Vorjahr verstorbenen Kaisers, Erzherzog Ernsts, tätig wurde. Schon eine Woche
nach Erhalt dieses Auftrags unterzeichnete Angielini dann am 16. Mai 1577 eigen-
händig den gemeinsam mit Pietro Ferabosco und Ottavio Baldigara erstellten Bericht
über den Zustand der inspizierten Festung Nagykanizsa.66
Sein hohes Renommee, das wohl maßgeblich zu seiner Rückkehr in habsburgische
Dienste sechs Jahre nach seinem Fortzug von Wien beigetragen hatte, zeigt sich im
Sommer ebendieses Jahres noch in einer weiteren Nachricht : Nicolò wird nämlich am
7. August 1577 in einem Verzeichnis der in Wien dienenden oder lebenden Archi-
tekten67 als Nicholo Angelini in Vienna (Abb. 5) sogar vor dem ungleich berühmteren
Carlo Theti (Charllo Teti)68 genannt. Dieses Verzeichnis wirft im Übrigen ein hoch-
interessantes Schlaglicht auf die Elite der damals in kaiserlichen Diensten wirken-
den Baufachleute, wobei die Verhältnisse in Wien, Győr/Raab, Košice/Kaschau, Satu
Mare/Szathmar, Szendrő, Nagykanizsa/Kanischa, Koprivnica/Kopreinitz, Prag und
Graz Beachtung finden und neben den Architekten als der gleichsam ersten Garnitur
von Baufachleuten auch eine Reihe von Polieren namentlich angeführt wird. Zu den
in Wien tätigen bzw. lebenden Architekten werden neben Angielini und Theti Per-
sönlichkeiten wie Jacopo Strada, Hans Saphoy (Joani Sapfoi ; 1566–78 Dombaumeister
63 Erzherzog Ernst, Sohn des 1576 verstorbenen Kaisers Maximilian II., dürfte diese Anordnung wohl von
Wien aus getroffen haben, wo der bei der (Hof)Burg gelegene Cillierhof (die heutige Amalienburg) ab
1578 für ihn umgebaut wurde und er ab den 1580er Jahren als Statthalter für seinen in Prag residieren-
den kaiserlichen Bruder Rudolf II. fungierte.
64 StmkLA, Laa. Archiv, Antiquum XIV, Militaria, Schuber 1577 Mai, Nr. 201514/5673.
– Herrn Kollegen
Leopold Toifl (Universalmuseum Joanneum, Landzeughaus) ist für seinen einschlägigen Hinweis (Mail
vom 9. Oktober 2014 an F.O.) herzlich zu danken. – Zu der durch den Blitzschlag ausgelösten Kata-
strophe vgl. Toifl, Katastrophe von Kanischa, 101–115.
65 Pálffy, Anfänge, 27 Anm. 75, zitiert aus den Beständen des Hofkriegsrates, dass Nicolò 1571 gnaden-
halber 20 Gulden ausbezahlt wurden, damit er haimbcziehen könne.
66 Pálffy, ebd., 28 mit Anm. 79 ; siehe dazu auch oben S. 31 Anm. 47.
67 Pálffy, ebd., 28 mit Anm. 80.
68 Die Liste selbst ist nicht alphabetisch gereiht, sodass man wohl von einer Hierarchisierung der genann-
ten Personen ausgehen darf. – Zu Theti siehe unten S. 142–144.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499