Seite - 39 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
Bild der Seite - 39 -
Text der Seite - 39 -
Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen | 39
Fremdaussagen zeichnen allerdings für alle drei Angielinis ein weit gespanntes und
breit gefächertes Berufsbild. Dabei überwiegt für Natale und Nicolò mit großem Ab-
stand der Begriff »Baumeister«, der ja auch die Stellung als besoldeter Bediensteter des
Hofkriegsrates einschloss, während sich für Paolo doch ein etwas anderes Bild ergibt.
Im Falle des älteren der beiden Brüder, Natales, liegt in dem schon mehrfach ge-
nannten Brief des Hadrianus Candidus an Francesco de Medici vom Sommer 1565
nicht nur der Hinweis auf seine Herkunft aus Mailand, sondern auch die Bezeichnung
als pittore vor. »Maler« umfasste freilich in dieser Zeit weitaus mehr als die bloße
Qualifizierung als Hersteller von Gemälden oder Bildern. Ein pittore85 fertigte selbst-
verständlich auch Entwürfe und Risse sowie »Modelle«86 an. Genau in diese Richtung
weist etwa eine Aussage des Ottavio Baldigara vom März 1583, der damals ausdrück-
lich um einen maler ersuchte, der eine kartografische Aufnahme der Bergstädterischen
Grenze anfertigen möge.87 Man muss davon ausgehen, dass die vielen »Baumeister«
italienischer Herkunft, die damals in habsburgischen Diensten standen und vor allem
als Festungsspezialisten gegen die Osmanen eingesetzt waren, darunter eben auch die
Brüder Angielini, nicht nur als praktisch am Baugeschehen Beteiligte, als Sachverstän-
dige für das Bauwesen, als Planer und Konstrukteure, sondern eben auch als Schöp-
fer der für die Kriegsführung dieser Epoche völlig unverzichtbaren kartografischen
Grundlagen tätig waren. Wenn dann Natale nach langem Bemühen im Sommer 1573
endlich die Stelle des Superintendenten für die Bergstädterische Grenze erhielt, so war
dies keine berufliche Veränderung, sondern ein Avancement.
Natales jüngerer Bruder Nicolò scheint nicht von allem Anfang an als »Baumeister«
auf. Zum Jahr 1570 wird er mehrfach im Zusammenhang mit der Anfertigung eines
85 Ein ganz exzellentes Beispiel ist etwa Pietro Ferabosco, siehe zu ihm unten Anhang 9.5, S. 471.
86 Der Begriff »Modell« konnte im 16. Jh. gleichfalls einen Riss bezeichnen, vgl. dazu Pálffy, Anfänge,
62 und 66. In einem der bei Pálffy, ebd., 62 Nr. 4d, angeführten Auszüge aus den Hofzahlamtsbü-
chern dürfte mit »Modell« allerdings ein dreidimensionales Modell gemeint gewesen sein, ist doch dort
ausdrücklich die Rede von einem erhebt modell von dem schloß Wesprin (= Veszprém). – In dieser Weise
versteht auch Boeheim, Urkunden und Regesten, CXLII Reg. 5178, diesen Eintrag, den er allerdings
irrtümlich zum 29. März 1570 (recte : 29. Mai) datiert (vgl. Pálffy, ebd., 62 Anm. 183). – Modelle
wurden nicht selten zur besseren Veranschaulichung von Planungen angefertigt und dann dem jeweili-
gen Bauherrn präsentiert. Beispiele dafür sind im Zusammenhang mit Aus- und Umbauten der Wiener
Hofburg im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach bezeugt, vgl. etwa Holzschuh-Hofer, Die Alte Burg,
106 (1549 präsentiert der Tischlermeister Friedrich Ferdinand I. zwei Modelle für den Stiegenhaus- und
Altanbau in Prag.), Grün, Hof- oder Kaiserspital, 241 f. (Ein Modell der geplanten Arbeiten am Hof-
spital des Tischlermeisters Friedrich wird 1549 dem in Prag weilenden Herrscher vom Baumeister Sig-
mund de Preda gemeinsam mit einem Plan präsentiert.), sowie Jeitler, Hofbibliothek, 467 (1663 wird
dem neuen Direktor der Hofbibliothek, Peter Lambeck, bei seinem Amtsantritt von Kaiser Leopold I.
das hölzerne Modell für einen Bibliotheksneubau gezeigt.).
87 Pálffy, ebd., 59 : … einen maler … der die landschafft abreissen kunde.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499