Seite - 43 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
Bild der Seite - 43 -
Text der Seite - 43 -
Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen | 43
Einem deutlich anderen Wirkungsbereich gehörte der in den Festungsgrundrissen
einmal mit seiner Auffassung zum Ausbau von Szendrő101 erwähnte Lazarus von
Schwendi (1522–1583) an, der einer der bedeutendsten Militärs in Diensten der
Habsburger von Karl V. bis Maximilian II. war. Über ihn liegt reichhaltige Literatur
vor, wobei es an dieser Stelle genügen möge, auf den erst 2010 erschienenen Eintrag in
der »Neuen Deutschen Biographie« zu verweisen.102 Im Regelfall dürfte es wohl kaum
zu direkten Kontakten zwischen den »einfachen« Festungsspezialisten des Hofkriegs-
rates und der militärischen Spitze gekommen sein. Für Natale Angielini freilich, der
in der ersten Jahreshälfte 1565 persönlich im Gebiet der Kämpfe des Feldobersten von
Schwendi gegen die kaiserlichen Gegner im östlichen Ungarn weilte und auf seinem
berühmten Kupferstich ausdrücklich auf Hern Lazaro von Schwendi Bezug nimmt, ist
dies durchaus denkbar.
Vieles an wichtigen militärischen Planungen betreffs der gegen die Osmanen zu er-
greifenden Maßnahmen musste im Rahmen derartiger persönlicher Kontakte dem ei-
nen oder anderen der italienischen Festungsbaumeister, -kartografen oder -planer zur
Kenntnis gelangen, nicht selten waren sie in diesem Kontext völlig unverzichtbare Mit-
arbeiter. Mit einiger Wahrscheinlichkeit waren es gerade solche paumaister, über die ja
auch die neuen Methoden des Festungsbaus transferiert und verbreitet wurden. Inwie-
fern und wie sie sich dabei für ihre beruflichen Belange (beständig ?) weiterbildeten, oder
ob das Prinzip, das wir heute als »learning by doing« bezeichnen, vorwaltete, lässt sich
schwer beurteilen. Die zur Schaffenszeit der drei Angielinis bereits greifbare theoreti-
sche Literatur zum Festungsbauwesen dürfte allerdings – zumindest im Hintergrund
und nicht unbedingt als stets in Händen gehaltenes »Vademecum« der Bauwissenschaf-
ten – gleichfalls bei ihrer Tätigkeit ihre Einflüsse gezeitigt haben.103 Einer der durch-
aus prominenten Vertreter der italienischen Theoretiker, der aus Süditalien stammende
Carlo Theti, der in der Mitte der 1560er Jahre nach Wien gekommen war und Kaiser
Maximilian II. einen handschriftlichen Traktat über das Festungsbauwesen gewidmet
hatte, der 1569 in Rom im Druck erschien, wurde jedenfalls 1577 in einem Verzeichnis
der in Wien lebenden Architekten neben Nicolò Angielini angeführt.104 Selbstverständ-
Zeitaum von 1559 bis zu seinem Tod Anfang 1583 insgesamt 112 Mal erwähnt und erscheint dabei
u. a. als Obrister Baukommissar und als Obrister Zeugmeister. Als Präsident des 1578 installierten
innerösterreichischen Hofkriegsrates mit Sitz in Graz wird Franz von Poppendorf zwischen 1578 und
1582 sechzehnmal genannt.« – Poppendorf ließ sich ab 1578 in Graz ein eigenes Anwesen errichten,
das unter der von einem späteren Besitzer abgeleiteten Bezeichnung »Palmburg« bis heute erhalten ist,
siehe die Hinweise unter : https://de.wikipedia.org/wiki/Palmburg_%28Graz%29 (22.11.2014).
101 Siehe dazu unten Anhang 9.1, S. 434 Nr. 40.
102 Nicklas, Schwendi, 65 f.
103 Siehe dazu das Kapitel über Festungstraktate, hier im Buch, S. 133–144.
104 Siehe oben S. 35 f.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499