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70 | Ferdinand Opll
Markgrafen von Baden während des 17. Jahrhunderts hohe und höchste militärische
Ämter im Umfeld der Türkenkämpfe dieser Epoche bekleideten. Das Haus der badi-
schen Markgrafen war seit 1535 in eine protestantische (Baden-Durlach) und eine
katholische Linie (Baden-Baden) geteilt. Schon Markgraf Georg Friedrich (1573–
1638) aus der Baden-Durlacher Linie, der auf dem ungarischen Kriegsschauplatz an
der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert kämpfte, hat eigene militärwissenschaftliche
Schriften verfasst, denen er Pläne, darunter auch solche des großen deutschen Fes-
tungsbauspezialisten Daniel Specklin,224 beigab. Die katholische Linie sollte in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit den Markgrafen Hermann und dessen Nef-
fen Ludwig Wilhelm bedeutende Militärs im Dienste der Habsburger stellen. Her-
mann (1628–1691) kämpfte ab den frühen 1660er Jahren an höchst unterschiedlichen
Kriegsschauplätzen, insbesondere in den Niederlanden. Höhepunkt seiner Karriere
war sicherlich die Leitung des Hofkriegsrates, wobei er Raimondo Graf Montecuccoli
als dessen Präsident nachfolgte. Diverse Plandarstellungen der großen Türkenkämpfe
dieser Jahre, darunter etwa ein Plan von Gran von 1683 und Anguissolas Plan von
Budapest von 1684,225 tragen Widmungen an Markgraf Hermann sowie das badische
Wappen. Der Neffe Hermanns, Markgraf Ludwig Wilhelm (1655–1707), der schon
unter Montecuccoli gedient hatte, wurde 1689 zum Oberbefehlshaber der Front gegen
das Osmanische Reich. Nach der siegreichen Schlacht von Slankamen 1691 erhob ihn
Kaiser Leopold I. zum Generalleutnant aller kaiserlichen Truppen. Bekannt ist er bis
heute unter dem Namen »Türkenlouis«.226
Schäfers Annahme, dass der Karlsruher »Angielini«-Atlas im Kontext dieser Funk-
tionen der badischen Markgrafen, höchstwahrscheinlich von Markgraf Hermann (gest.
1691) aus Wien in ihre Heimat »mitgenommen« wurde, erscheint umso glaubhafter,
als sich auch ein dem Hofkriegsratspräsidenten Annibale Gonzaga (1602–1668) ge-
widmetes Exemplar der von Martin Stier 1660 angefertigten Relationen über Visitati-
onen an der »Türkengrenze« im Jahre 1557 heute im Generallandesarchiv zu Karlsruhe
befindet. Das Wiener Exemplar des Stierschen Werks wird in der Österreichischen
Nationalbibliothek als Cod. 8608 Han227 verwahrt. Insgesamt zeichnet sich das Gene-
rallandesarchiv durch einen ganz herausragenden Bestand an Türkenkriegskarten
224 Zu Specklin siehe unten S. 140 f.
225 Abbildung in : Rödel (Hg.), Zwischen den Welten, 142 f. Nr. IV.4.
226 Vgl. Schäfer, Inventar, IX–XIII.
227 Siehe dazu – leider ohne Digitalisat : http://search.obvsg.at/primo_library/libweb/action/display.do?t
abs=detailsTab&ct=display&fn=search&doc=ONB_aleph_onb06000157487&indx=1&recIds=ONB_
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Stier&vid=ONB&mode=Basic (29.6.2015).
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499