Seite - 78 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
Bild der Seite - 78 -
Text der Seite - 78 -
78 | Ferdinand Opll
hohe Interesse des sächsischen Landesfürsten an den Kämpfen gegen die Osmanen
wie auch an der Entwicklung der Festungstechnik in seiner Epoche muss es gewesen
sein, das August veranlasste, sich um den Erwerb einschlägiger Werke zu bemühen.
Zum ältesten Bestand der Kunstkammer an Cartographica zählt neben den beiden
»Angielini«-Atlanten im Übrigen ein dritter Manuskriptatlas mit Grundrissen von
Festungen in Belgien, den Niederlanden und Frankreich.252
August von Sachsen hatte den hier behandelten Atlas Dresden Nr. 11 mit hoher
Wahrscheinlichkeit als Geschenk aus Wien erhalten. Dort war er zunächst im Besitz
des Kaisers gewesen, was sich aus dem auf seinem Einband stehenden kaiserlichen
Wappen unzweifelhaft ergibt. Ob dieses Geschenk während des Aufenthalts des Kai-
sers 1575 in Dresden, als der Habsburger dem Kurfürsten auch andere Ehrengaben
zuwenden ließ, übergeben wurde, ist möglich, letztlich aber nicht zu beweisen. Eine
andere Möglichkeit wäre die, dass der sächsische Fürst den Atlas während seines Be-
suchs am Kaiserhof in Wien im Februar 1573 erhalten hätte. Berichte des italieni-
schen Adeligen Ottavio Landi an den damaligen habsburgischen Botschafter in Ma-
drid, Adam von Dietrichstein, geben Einblick in ein reichhaltiges Unterhaltungs- und
Besichtigungsprogramm, das Maximilian II. seinem hohen Gast damals bot. Wiewohl
sich darin kein Hinweis auf ein Geschenk des Habsburgers an August von Sachsen
in Form eines Atlasbandes findet, ist umgekehrt doch bekannt, dass der Sachse in der
kaiserlichen Burg zu Wien Gemälde, insbesondere solche des Giuseppe Arcimboldo
zu Gesicht bekam. Maximilian beauftragte im Gefolge des kurfürstlichen Besuchs
Arcimboldo damit, Gemälde für den sächsischen Kurfürsten anzufertigen. Der dabei
entstandene Zyklus der Jahreszeiten befindet sich heute im Louvre.253
Unklar bleibt auch, ob die Ungarnkarte des Nicolò Angielini zum in Dresden erhal-
tenen Atlasband erst nachträglich »hinzugekommen« ist254 und somit als spezifische
bzw. weitere Zutat Angielinis zu der Sammlung von Festungsplänen anzusehen wäre.
Die in der Widmungskartusche an den Kurfürsten in der linken oberen Ecke des Blat-
tes verwendete Schrift weist – zumindest im Hinblick auf das verwendete Majuskel-
252 Zu diesem gleichfalls im Kunstkammerinventar von 1587 verzeichneten Atlas unter der Signatur Schr.
26, F. 96, Nr. 10 : Unbekannter Zeichner, Grundrisse befestigter Städte in den Niederlanden, Belgien
und Frankreich [um 1579/85] (Papier, Feder, Aquarell, Einband Pergament ; 435 x 300 mm, vgl. Bö-
nisch u. a. (Hgg.), Kursächsische Kartographie, 187, sowie Wiegand, Kunstkammer, 427 Nr. 19 ; eine
Abbildung aus diesem Atlas bei Wiegand, ebd., 418 Abb. 7.
253 Zur Möglichkeit einer Übergabe während des Kaiserbesuchs in Dresden 1575 vgl. Pálffy, Anfänge,
71 mit Anm. 217 ; zum Besuch Augusts von Sachsen in Wien im Jahre 1573, auf den mich (F.O.)
mein Freund Karl Rudolf aufmerksam gemacht hat, vgl. Rudolf, Kunstbestrebungen, 166 f., sowie 183
(kaiserlicher Auftrag an Arcimboldo) ; zum Jahreszeiten-Zyklus des Giuseppe Arcimboldo, der in einer
Reihe von Versionen erhalten ist, vgl. auch Ferino-Pagden (Hg.), Arcimboldo, 124‒144.
254 So Wiegand, Kunstkammer, 425.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499