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88 | Ferdinand Opll
Dennoch gelang es Ferdinand I. in den 1530er Jahren, ein neues Grenzverteidigungs-
system zu begründen, wobei die Arbeiten zunächst vor allem im kroatischen Bereich
vorangetrieben wurden. Die Zahl der habsburgisch dominierten ungarischen Komi-
tate wuchs von sieben bis acht um 1530 auf 28 (1539) und in der zweiten Hälfte
der 1540er Jahre sogar auf 35.5 Die weitaus kleinteiligere Struktur ermöglichte eine
deutlich gesteigerte Effizienz der Maßnahmen. Der Fall von Buda (1541) und bald
darauf von Gran/Esztergom, dem Sitz des ungarischen Erzbistums, und von Stuhl-
weißenburg/Székesfehérvár, dem traditionellen Krönungsort der ungarischen Könige,
sollte dann allerdings die osmanisch beherrschten Gebiete bereits relativ nahe an die
unter kaiserlicher Oberhoheit stehenden Landstriche heranrücken lassen. Mit diesen
Erfolgen der Pforte traten von jetzt an die strategische Bedeutung und der Stellen-
wert des nunmehr zum Grenzraum gewordenen Bereichs der sogenannten Schüttinsel
sowie von Festungen wie Raab/Győr und Komorn/Komárno deutlich hervor. Waf-
fenstillstände, die kaum über längere Zeit wirksam waren, aber auch Tributzahlungen
der Habsburger an den Hof des Sultans in Istanbul prägten das Bild. Dazu kamen die
enormen Kosten, die im Zusammenhang mit den erforderlichen Maßnahmen an der
Grenze entstanden. Allein der Sold für die dort stationierten Soldaten belief sich um
1550 auf etwa 70–90 Prozent der jährlichen Einkünfte aus Ungarn.6
Seit dem Ende der 1540er Jahre hatte man die erforderlichen Maßnahmen, darunter
insbesondere den Ausbau und die Umgestaltung vorhandener Festungen wie auch die
Errichtung neuer Anlagen auf sogenannten Kriegskonferenzen beraten, die in Wien,
Preßburg und Graz zusammentraten. Erst vor kurzem hat Géza Pálffy eine Liste von
43 Festungen an der Osmanengrenze bekannt gemacht, die Palatin Tomas Nádasdy
im März 1555 dem Thronfolger Maximilian II. vorlegte.7 Erst mit der Schaffung des
Hofkriegsrates (1556)8 gelang es, den Abwehrmaßnahmen ein festes organisatorisches
Gerüst zu geben. Diese Institution steuerte die verschiedenen Initiativen zur Stärkung
der Defensivkraft, über sie wurde sowohl die Finanzierung der geplanten und umge-
habsburgisch-osmanischen Auseinandersetzungen, ist äußerst umfangreich. Dennoch sei hier zumindest
auf einige der maßgeblichen Arbeiten hingewiesen : aus ungarischer Sicht vgl. Pálffy, Kingdom of
Hungary, Ágoston, Habsburgs and Ottomans, 126–141, und Fodor, Unbearable Weight of Empire ;
aus österreichischer Sicht vgl. Winkelbauer, Ständefreiheit ; aus osmanischer Sicht vgl. Ágoston/
Masters, Encyclopedia of the Ottoman Empire, 61 f. (Austria), 255 f. (Hungary) und 583–585 (Vienna,
sieges of). – Eine auf Ungarn und die kroatisch-slawonischen Bereiche fokussierte Studie hat zuletzt
Pálffy, Die Türkenabwehr und die Militärkartographie, 37–70, vorgelegt.
5 Pálffy, Die Türkenabwehr und die Militärkartographie, 42–44.
6 Pálffy, ebd., 45.
7 Pálffy, ebd., 47–49.
8 Zum Hofkriegsrat vgl. neben der Arbeit von Regele, Hofkriegsrat, die quellenkundlichen Angaben bei
Pálffy, Akten und Protokolle des Wiener Hofkriegsrats, 182–195.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499