Seite - 113 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen | 113
Hofsekretär Guillaume Bolomier gezeichneten Plan der Stadt Genf, der im Kontext
eines Streits zwischen dem Herzog von Savoyen und dem Genfer Bischof um Herr-
schaftsansprüche und Einkünfte in Genf entstand.50 Ein anderer früher Stadtplan
ist in Form einer Federzeichnung für Verona überliefert, die sogenannte »mappa
dell’Almagià« des Umlandes von Verona. Dabei liegt aufgrund des Umfangs des
erfassten Territoriums eine nicht allzu kleinmaßstäbige Landkarte mit einem Stadt-
plan, weitgehend einer Grundrissdarstellung, im Zentrum vor.51 Von der Art der
Darstellung, d. h. der Integration von Ansichten als maßgeblichen Referenzpunkten
der kartografischen Darstellung dem Wiener »Albertinum« durchaus vergleichbar
sind weitere handgezeichnete Territorialkarten, die sich für Oberitalien aus dem
15. Jahrhundert erhalten haben.52
Die bildliche Repräsentation Wiens entwickelte sich während des 15. Jahrhunderts
nicht anders, als wir dies bei vielen anderen europäischen Städten, in Sonderheit sol-
chen des deutschen Sprachraums kennen. Ansichten der Stadt wurden vor allem im
liturgischen Bereich von kirchlichen Wandfresken, von Altartafelbildern, seltener von
Handschriften als Hintergrund von biblischen Szenen dargeboten. Für Wien – das
ist zu betonen – setzte diese Bildtradition mit dem Meister des Albrechtsaltars und
seiner »Begegnung Joachims und Annas an der Goldenen Pforte« bereits sehr früh ein,
um 1435/37–1440, und sollte vor allem in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im
Bereich der Altarmalerei eine beachtliche Breitenwirkung entfalten.
Aus Italien kennen wir Vergleichbares schon deutlich früher, aus dem 14. Jahr-
hundert, und dabei ist vor allem auf das 1382/83 entstandene Fresko mit einer Stadt-
ansicht von Padua von der Hand des Giusto de Menabuoi in der Capella Bellucci
von Sant’Antonio in Padua hinzuweisen.53 Aus dem frühen 15. Jahrhundert ist die
Vogelschau von Rom zu nennen, die Taddeo di Bartolo 1413 in einen Zyklus von
Wandfresken im Eingang der Kapelle des Sieneser Palazzo Pubblico eingefügt und
damit in den Kontext der wichtigsten Tugenden des Regierens gestellt hat.54 Fresken
religiösen Inhalts mit realem topografischen Hintergrund kennen wir aus dem Raum
nördlich der Alpen etwa aus Lübeck, für das die älteste Stadtansicht auf dem 1942
zerstörten Totentanz des Bernt Notke in der Lübecker Marienkirche zu sehen war,55
50 Vgl. dazu Ruch, Kartographie und Konflikt, 273–291 mit Abb. 1 auf S. 277.
51 Nuti, Mappa del territorio veronese, 120 f. Nr. 1.
52 Zu nennen ist dabei etwa eine Karte des Gebietes von Crema, südöstlich von Mailand, aus dem späten
15. Jahrhundert, siehe Caniato, Mappa del territorio cremasco, 123–125 Nr. 3.
53 Vgl. dazu Daniele, La veduta di Padova, 7–20, und Ders., Padova (Catalogo della Mostra), 22 f.,
Nr. I.01.
54 Schulz, La veduta, 45.
55 Vogeler/Freytag, Lübeck, 276 f.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499