Seite - 120 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
Bild der Seite - 120 -
Text der Seite - 120 -
120 | Ferdinand Opll
1540 aus Lindenholz im Maßstab 1 : 2.900 anfertigte. Die im Zusammenhang mit
diesem im Auftrag des Nürnberger Rates angefertigten Stadtmodell auf uns gekom-
menen Nachrichten zeigen deutlich, wie sehr es den städtischen Auftraggebern darum
ging, durch dezidierte Auflagen jede weitere Verbreitung des Modells zu verhindern
und somit die Geheimhaltung genauerer Informationen über die städtische Topografie
nach Möglichkeit abzusichern.86 Derartige Stadtmodelle waren offenbar nicht zuletzt
deshalb so bedeutsam, weil man sie als Vorstufen für die Umsetzung bildlicher Reprä-
sentationen von Städten nutzte. Darauf weist nicht nur der Umstand, dass sich Leo-
nardo bei der Anfertigung seines Stadtplans von Imola (1502) eines Reliefs bedient
haben dürfte, dass der lombardische Ingenieur Danesio Maineri im Auftrag der Sforza
zwischen 1472 und 1474 angefertigt hatte.87 Mit dem Baierschen Werk vergleichbare
Stadtmodelle haben sich mit dem 1560/63 von Hans Rogel angefertigten Stadtmodell
von Augsburg88 sowie etwas später, um 1570, mit einer ganze Serie von solchen Mo-
dellen erhalten, die der aus Straubing stammende Drechslermeister Jakob Sandtner für
seine Vaterstadt (1568), für München und Landshut (1570), für Ingolstadt (1572) und
für Burghausen (1574) schuf.89
Stadtansichten repräsentativen Charakters, die dezidiert auf Wirkung zielten, de-
nen nicht nur für das Selbstverständnis ihrer Auftraggeber eine hohe Bedeutung zu-
kam und die sich ganz generell bei ihrem im Detail nur schwer fassbaren Publikum90
immer größerer Beliebtheit erfreuten, sollte bis weit in die frühe Neuzeit hinein die
Zukunft gehören. Für die bedeutendsten europäischen Städte liegen diesem Genre
zugehörige Veduten vor, und gar nicht selten stehen sie bei diesen, etwa bei Paris oder
London, regelrecht am Anfang der einschlägigen Überlieferung bildlicher Zeugnisse
zum Aussehen der Stadt.91 Ein Werk dieses Typus’ der höchst repräsentativen Vogel-
schau sollte für Wien erst im frühen 17. Jahrhundert entstehen, als der Niederländer
86 Schiermeier, ebd., 66 f. – Bei Martin, Stadtmodelle, 68, wird das Nürnberger Stadtmodell dem
Nürnberger Maler Hans Sebald Beheim zugewiesen, der 1540 dem Rat seiner Stadt eine conterfactur
Nurmberg auf ein pret gesetzt präsentierte. Die von ihm ebenfalls erwähnten Initialen »HP« auf dem im
Original erhaltenen Modell werden von ihm nicht aufgelöst, er verweist aber auf ein weiteres Nürnberger
Stadtmodell des Hans Payr von 1541.
87 De Seta, La fortuna, 32.
88 Martin, Stadtmodelle, 69.
89 Siehe dazu von Reitzenstein, Die alte bairische Stadt, und Martin, Stadtmodelle, 70 f.; zur Münch-
ner Überlieferung im Allgemeinen vgl. Bauer, München, 312–320, und Schiermeier, Stadtatlas
München.
90 Zu diesen Aspekten vgl. Besing, Produktion und Publikum, 94–100.
91 Siehe etwa zu Paris Pinon/Le Boudec, Les plans de Paris ; zu London vgl. Whitfield, London, und
Barber, London.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499