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Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen | 121
Jacob Hoefnagel seine berühmte Vogelschau92 veröffentlichte. Dennoch gab es auch
hier bedeutende Vorläufer, und dabei sind vor allem die beiden für die spätere Bildpro-
duktion als Vorlagen so bedeutenden Ansichten der Stadt von Norden und Süden zu
nennen, die Augustin Hirschvogel 1547 als Radierungen vorlegte.93
Für die habsburgische Residenzstadt an der Donau sollte allerdings ein anderer
Faktor ganz entscheidend dazu beitragen, dass es schon ab dem Ende der 1520er Jahre
zu einem ungeheuren Anstieg an neu produzierten »Städtebildern« kam. Die osmani-
sche Expansion, die ab den frühen 1520er Jahren ein auch für den mitteleuropäischen
Raum bedrohliches Ausmaß anzunehmen begann,94 erreichte 1529 mit der Ersten
Türkenbelagerung direkt die Stadt Wien. Die glückhafte Abwehr der Bedrohung95
sollte das allgemeine Interesse an der habsburgischen Residenzstadt ganz ungeheuer
beflügeln, und es waren vor allem die süddeutschen, insbesondere Nürnberger Ver-
treter der grafischen Künste, die sich umgehend daran machten, dieses Interesse mit
entsprechenden Produkten auch zu befriedigen. Das sogenannte »Türkenmotiv«96 im
Kontext der Produktion von Wiener Ansichten – und wenig später auch von Plä-
nen – ist in zahlreichen Werken fassbar. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang
mit den Ereignissen selbst, nämlich schon 1530, steht das großartige Rundpanorama
des Niclas Meldeman97 ebenso wie die erst vor wenigen Jahren entdeckte Wandkarte
des Türkenzuges 1529, die Johannes Haselberg von Reichenau und Christoph Zell
aus Nürnberg veröffentlichten.98 Stehen bei Meldeman vor allem die kriegerischen
Ereignisse an und vor der Wiener Stadtmauer im Zentrum der Darstellung, so zeigt
die schon von ihrem Format her höchst eindrucksvolle Wandkarte den gesamten os-
manischen Heerzug von Istanbul über den Balkan nach Wien auf einer Karte, die im
Osten bis nach Palästina, im Norden bis Litauen, im Westen bis zu den Pyrenäen und
im Süden bis an die nordafrikanische Küste reicht. Wien selbst wird in Form einer
Ansicht von Süden her dargeboten, wobei der Südturm des Stephansdoms, die Stadt-
92 Unten Anhang 9.7, S. 490 Nr. 23.
93 Unten Anhang 9.7, S. 484 Nrr. 3‒4.
94 Damit sollte sich ja auch das Interesse am ungarischen Raum deutlich intensivieren, und für diesen
entstanden erste Landkarten, siehe dazu schon oben S. 101–111.
95 Vgl. dazu zuletzt im Überblick Opll, Wiener Türkenbelagerungen, 171–197, und Ders., Wien und die
türkische Bedrohung, 183–197.
96 Vgl. dazu Pick, Türkengefahr, und Fischer, Blickpunkt Wien, 101–116.
97 Unten Anhang 9.7, S. 483 Nr. 2. – Für den Typus der Meldeman’schen Wien-Darstellung, der in der
deutschsprachigen Literatur zumeist unter den Begriffen »Ansicht« oder auch »(Rund)Panorama« fi-
guriert, verwendet Schulz, La veduta, 53, den sehr viel präziseren Begriff der »proiezione ad occhio di
pesce«, also der »Fischaugenprojektion«. Damit wird insbesondere den für die Meldeman’sche Arbeit so
charakteristischen Verzerrungen sehr viel besser Rechnung getragen.
98 Opll/Stürzlinger, Wiener Ansichten und Pläne, 55 f. Nr. 25 und 57 f. Nr. 29.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499