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122 | Ferdinand Opll
mauer mit dem Kärntner Tor und dem Stubentor und die Vorstadt vor dem Kärntner
Tor mit dem Laßlaturm gut zu erkennen sind.99
Als Konsequenz aus der Abwehr des osmanischen Angriffs sollte in Wien bereits ab
1530 mit dem Um- und Ausbau der veralteten mittelalterlichen Stadtmauern begon-
nen werden.100 Mit diesem größten Bauvorhaben, das die Stadt in der frühen Neuzeit
erleben sollte, war nicht nur die Anwerbung und Beschäftigung einer großen Zahl von
Spezialisten für die neuen Formen des Festungsbaus, die Bastionärsbefestigung, ver-
bunden. Vielfach waren nun auch detaillierte Vermessungsarbeiten erforderlich, und
es entstanden entsprechende Planunterlagen. Die Folge war ein bislang nicht gekann-
ter hoher Stellenwert des Festungsbaus – nicht nur für die Fortifikationen der Stadt
selbst, sondern durchaus in einem regelrecht urbanistischen Sinn. War die Produktion
von Stadtansichten für Wien durch das ereignisgeschichtliche Moment der Türken-
abwehr ganz entscheidend befördert worden, so resultierte aus der hohen Bedeutung,
die der Festungsbau für Wien ab den frühen 1530er Jahren erhielt, dass es für die
habsburgische Residenzstadt bereits ab der zweiten Hälfte der 1540er Jahre – und
damit auch im internationalen Vergleich ungemein früh
– zur Produktion regelrechter
Stadtpläne kam. Der bloße Grundrissplan von Städten – gegebenenfalls in der Form,
dass gewisse Objekte auch in Form von Ansichten in den Grundrissplan eingefügt
wurden – stand ja schon seit seinen Anfängen vielfach im Kontext einer Darstellung
gerade der Befestigungen. Die vorhin erwähnte »mappa dell’Almagià« des Umlandes
von Verona aus der Zeit vor 1445 etwa bietet einen Grundriss der Etschstadt mit
Baublöcken und Straßen und Leonardo da Vinci geht bei seinem Stadtplan von Imola
von 1502 ähnlich vor. Dem schließen sich im italienischen Bereich in den folgenden
Jahrzehnten weitere Grundrisspläne an, wobei etwa auf die Vedute von Verona von
Giovanni Caroto (1538–1540), die wie die »mappa dell’Almagià« Schrägansichten der
Befestigung und wichtiger Bauwerke mit einer Grundrissdarstellung vermischt und
ihre Anfertigung militärischen Zwecken verdankt, nämlich dem Ausbau der Veroneser
Befestigungen unter Michele Sanmicheli,101 oder auch den ältesten auf geometrischen
Methoden beruhenden Mailänder Stadtplan des Ingenieurs Clarici von 1577/79102 zu
verweisen ist.
Für den Ausbau der Festungsstadt Wien – um eine solche handelte es sich ab
1529/30 ohne jeden Zweifel und dem entsprach der mit dem Selbstverständnis Wiens
99 Diese Stadtvedute weist Ähnlichkeiten zur Darstellung Wiens auf der Karte der Schüttinsel im Werk
der Angielinis auf, siehe dazu unten Anhang 9.1, S. 329 Nr. 2.3.
100 Im Detail siehe dazu hier im Buch, S. 147–196.
101 Girardi, Giovanni Caroto, 162–164.
102 De Seta, La fortuna, 33 ; Boido, Il processo di conoscenza, 58.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499