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134 | Ferdinand Opll
Mariano di Jacopo, genannt Taccola (gest. 1458), den man zu Unrecht als Erfinder der
neuen Festungsbauweise des Bastionärsystems angesehen hat.41 Taccola an die Seite zu
stellen ist das ebenfalls stärker militärtheoretisch angelegte Werk des Roberto Valturio
(1405–1475), der als Berater des Sigismondo Malatesta diesem sein Werk »De re mi-
litari« widmete, das zwischen 1472 und 1535 nicht weniger als dreimal veröffentlicht
wurde, zweimal in Italien, einmal in Basel und einmal in Frankreich.42
Die erste Abhandlung, die sich dezidiert Fragen des bastionären Festungsbaus,
insbesondere den ab dem neunten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts in ersten gebauten
Beispielen fassbaren Bastionen43 widmete, war eindeutig der »Trattato di architet-
tura civile e militare«44 des aus Siena stammenden Francesco di Giorgio (Martini)
(1438–1502), der nach neueren Forschungen bereits in den 1480er Jahren entstan-
den ist.45 Francesco di Giorgio, für den auch persönliche Kontakte zu Leonardo
da Vinci nachweisbar sind, repräsentiert dabei einen Mann, dessen Schaffen an der
Schnittstelle zwischen persönlichen militärischen Aktivitäten, theoretischen Über-
legungen zur Verbesserung von Festungsarchitektur und eigenem architektonischen
Schaffen im Kontext der Wehrarchitektur46 wie auch des Kirchen- und Palastbaus
steht.47 Obwohl Francescos Traktat erst 1841 im Druck erschienen ist, wissen wir
41 Hale, Development of the bastion, 469 ; Schweizer, Repräsentation und Funktion, 69
42 Schweizer, Repräsentation und Funktion, 69 ; zu Valturio vgl. Pieri, Valturio, sowie den Artikel in
den Enciclopedie on line, unter : http://www.treccani.it/enciclopedia/roberto-valturio/ (16.11.2014). Zu
der 1533 in Paris veröffentlichten Ausgabe vgl. Architekt und Ingenieur. Katalog, 295 Nr. 210. – Eine
Faksimile-Edition der Ausgabe von 1472 ist 2006 in Rimini erschienen ; eine 1535 in »Vinegia« (=
Venedig) erschienene Ausgabe findet sich online unter : http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/
display/bsb10189862.html (11.12.2014).
43 Hale, Development of the bastion, 481–492. – Reinisch, Angst, 280, meint jüngst : »Sowohl die keil-
förmige Bastion als auch die Technologie des ›Unterminierens‹ wurden also vermutlich in jenen für die
italienische Staatenwelt so dramatischen zwei Jahrzehnten am Ende des 15. Jahrhunderts entwickelt : als
1480 die osmanische Flotte in Otranto (Apulien) gelandet war und 1494 durch den Feldzug Karl VIII.
von Frankreich die Unzulänglichkeit der bestehenden Befestigungen offensichtlich wurde.«
44 Das in der Biblioteca nazionale in Florenz überlieferte Exemplar ist auch online einsehbar, siehe dazu :
http://www.bncf.firenze.sbn.it/Bib_digitale/Manoscritti/II.141/main.htm (16.11.2014).
45 Hale, Development of the bastion, 484, datiert ihn noch zu ca. 1495 ; Ballon/Friedman, Portraying
the City, 697 f., setzen seine Entstehung zu 1478–1481, eine Überarbeitung zu 1487–1489 ; Hilliges,
Stadt- und Festungstor, 13, spricht von einer Entstehung zwischen ca. 1470 und ca. 1490 ; Reinisch,
Angst, 271, setzt den Traktat zwischen 1482 und 1487.
46 So baute er etwa in Diensten des berühmten Condottiere Federico da Montelfeltro (1422–1482) die
Anlagen in San Leo, Fossombrone, Sassocorvaro und Cagli aus, vgl. Hilliges, Stadt- und Festungstor,
40 ; dabei ist allerdings zu konstatieren, dass er bei seinen eigenen praktischen Arbeiten die von ihm
theoretisch erarbeiteten Grundlagen nicht umsetzte, vgl. dazu Hale, Development of the bastion, 485.
47 Vgl. dazu Frommel, Architektur der Renaissance, 86–92 sowie 263 (hier Hinweise auf weiterführende
Literatur zu Francesco di Giorgio).
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499