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Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis | 135
um seine Vorbild- und Referenzwirkung für Zeitgenossen und Epigonen sowohl
aus dem Umstand, dass bereits um 1500 mehrere Abschriften kursierten, als auch,
weil aus dem Traktat bezogene Anregungen im 16. Jahrhundert anderen vielfach als
Inspirationsquelle48 dienten.
An dieser Stelle sei mit Nachdruck darauf verwiesen, dass das soeben für Francesco
di Giorgio herausgearbeitete Charakteristikum als Talent mit umfassenden Interessen
wie Begabungen, die von Architektur und Kunst ebenso bestimmt waren wie von the-
oretischer Beschäftigung mit möglichen Verbesserungen der Wehrtechnik, aber auch
von einer Umsetzung des theoretisch Erarbeiteten in die architektonische Praxis, sich
aufs Beste zu dem fügt, was an anderer Stelle auch für Teile des Schaffens der Angieli-
nis hat aufgezeigt werden können.49 Gerade für die mit Francesco di Giorgio als be-
sonders frühem Beispiel angesprochenen Theoretiker des Festungsbaus war es selbst-
verständlich, in ihre Traktate immer wieder bildliche Darstellungen – zumeist Pläne,
aber durchaus auch Ansichten – einzufügen. Diese wiesen nun nicht durchgehend
den Bezug zu irgendeiner Realität auf, sondern sie zeichneten sich nicht selten durch
hohe Abstraktion aus. Man hat sie mit Recht als »generalized designs«50 bezeichnet.
Im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts sollte die Hinzufügung von Zeichnungen
zu Traktaten wie im Kontext anderer Überlieferungen sich immer mehr verbreiten,
was natürlich auch dadurch befördert wurde, dass man auf die genauen Komponenten
und Details von Festungen bzw. Stadtmauern immer größeren Wert legte. Parallel
dazu stieg das Prestige von Militärarchitekten sowie das Interesse an den von ihnen
verfertigten Plänen – durchaus auch als Kunstwerken – immer mehr an. Schwer ist
es allerdings, im Falle nicht mehr existenter Festungsanlagen zu entscheiden, ob eine
Darstellung die Realität abbildet oder bloß ein Projekt, einen Vorschlag.51
Stärker in der Praxis als in der Theorie verhaftete Zeitgenossen di Giorgios sind die
Brüder Giuliano da Sangallo (um 1445–1516)52 und Antonio d. Ä. da Sangallo (um
1455‒1534),53 von denen Giuliano 1487 mit der Befestigung von Poggio Imperiale in
der Toskana beauftragt wurde und 1501–1503 das bastionäre Fort der Hafenstadt Net-
tuno in Latium errichtete.54 Gemeinsam mit Antonio da Sangallo d. J. (1485–1546) kam
48 Hilliges, Stadt- und Festungstor, 13.
49 Siehe dazu oben S. 23–38.
50 Ballon/Friedman, Portraying the City, 697 f.
51 So bei Hale, Development of the bastion, 470. – Exakt diese Überlegungen treffen selbstverständlich
auch bei der Beurteilung des Angielinischen Werks zu, siehe dazu oben S. 50.
52 Vgl. zu ihm und seinem Schaffen als Architekt, Städtebautheoretiker sowie Maler Frommel, Architek-
tur der Renaissance, 69–81, und 133–138.
53 Zu Antonio dem Älteren, der gleichfalls Spezialist sowohl für den Festungs- als auch für den Palastbau
war, vgl. die Hinweise bei Frommel, Architektur der Renaissance, 118, und 173–175.
54 Dazu vgl. Burger, Festungsbau, 282, Hale, Development of the bastion, 482, und Reinisch, Angst,
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499