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Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis | 137
vnderricht zu befestigung der Stett Schlosz vnd flecken«,62 das er König Ferdinand I.
widmete. Der große Künstler reagierte damit nicht zum Wenigsten auf die nach der
Schlacht von Mohács massiv gestiegene osmanische Bedrohung, doch mochten dane-
ben auch die Auseinandersetzungen zwischen seiner Heimatstadt Nürnberg und dem
Adel der Umgebung eine Rolle gespielt haben. Woher er sich zu dieser Veröffentlichung
im Einzelnen hatte anregen lassen, ist nicht zu sagen, wenngleich nicht ausgeschlossen
ist, dass die damals in Italien erscheinenden architekturtheoretischen Schriften Aus-
wirkungen auf ihn gezeitigt haben. Im Hinblick auf die Festungstechnik zeigt sich
Dürer freilich nicht wirklich auf der Höhe der Zeit. Er stellt zwar gewaltige pasteyen
aus Mauerwerk ins Zentrum, bei diesen handelt es sich allerdings um Rundformen,
Rondelle, wie sie doch eher althergebracht als den neuen Manieren des Festungsbaus
adäquat und damit zukunftsweisend waren.63 Gleichfalls eher wenig innovativ, zumin-
dest was den Bau von Bastionen nach der italienischen Manier betrifft, zeigt sich der
Beitrag des Grafen Reinhard zu Solms (1491–1562) zur Festungsliteratur, der 1535 in
Mainz unter dem Titel »Eyn gesprech eynes alten erfarnen kriegßmans und bawmeys-
ters mit eynem jungen hauptmann : welcher massen eyn vester bawe fürzunemen unnd
mit nütz des herren mög vollenfürt werden« im Druck erschien.64 Stärker in das Feld
der allgemeinen Architekturtheorie gehört das Schaffen des wenig jüngeren Walther
Hermann Ryff (um 1500–1548), der 1547 und 1548 mit einschlägigen, in Nürnberg
gedruckten Werken, darunter einer Vitruv-Übersetzung ins Deutsche, hervortrat.65
In Italien fand das Dürersche Lehrbuch, das bereits 1535 durch Johann Camerarius
in Paris unter dem Titel »De urbibus, arcibus, castellisque condendis ac muniendis, ra-
tiones aliquot« in einer lateinischen Fassung veröffentlicht worden war, durchaus Re-
sonanz, doch überwogen dabei die kritischen Stimmen. Insbesondere die ungünstige
Belassung toter Winkel bei dem von Dürer favorisierten Basteitypus wurde bemän-
62 Online verfügbar unter : http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0008/bsb00087165/images/ (22.11.
2016) ; aus der älteren Literatur vgl. Architekt und Ingenieur. Katalog, 349 f. Nr. 290–292.
63 Zur Bewertung dieses Werks von Dürer vgl. Burger, Dürers »Unterricht zur Befestigung«, 261–288,
sowie zuletzt Büchi, Fortifikationsliteratur, 34‒44.
64 Zum Autor vgl. mit weiterführenden Hinweisen auf einschlägige Literatur : http://de.wikipedia.org/
wiki/Reinhard_zu_Solms (27.11.2014) sowie Hoppe, Die nichtmathematische Festung, 92 f., und zu-
letzt Büchi, Fortifikationsliteratur, 45‒51. – Die Ausgabe von 1556 online unter : http://daten.digitale-
sammlungen.de/~db/0002/bsb00029481/images/ (11.12.2014).
65 Vgl. Schütte, Architekturbuch, 32. – Zu seiner 1547 publizierten Abhandlung »Der furnembsten not-
wendigsten der gantzen Architectur angehörigen Mathematischen und Mechanischen künst eygentli-
cher bericht …« vgl. Architekt und Ingenieur. Katalog, 68 f. Nr. 40 ; die Vitruv-Übersetzung ist online
verwendbar unter : http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/vitruvius1548 (14.12.2014). – Vitruvs Werk
war wenige Jahre zuvor, 1543, erstmals außerhalb Italiens, in Straßburg, veröffentlicht wurden, vgl. Ar-
chitekt und Ingenieur. Katalog, 62 f. Nr. 34.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499