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Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis | 139
Wichtiger Dreh- und Angelpunkt nicht nur im Hinblick auf seine Rolle als Druck-
ort zahlreicher Festungstraktate, sondern insbesondere wegen seiner auf die Beherr-
schung weiter Teile des oberitalienischen Raumes gerichteten Terraferma-Politik war die
Sere nissima. In Venedig legte 1537/38 der gebürtige Brescianer Nicolò Tartaglia (gest.
1557),72 der seinen Lebensmittelpunkt in der Lagunenstadt hatte, mit seinen gedruckten
Werken »La Nova Scientia« und »Quesiti et invenzioni diversi« tatsächlich den Grund-
stein für eine neue Wissenschaft, die Ballistik. Wenngleich er damit nur indirekt zu den
Verfassern der hier im Zentrum stehenden Festungstraktate zu zählen ist, ist sein Beitrag
dennoch ganz entscheidend gewesen. Knapp zwanzig Jahre nach Tartaglia legte 1554 –
abermals in Venedig – der in der mittelitalienischen Maremma tätige Pietro Cataneo
seine wegen der enthaltenen Stadtgrundrisse und ihrer Stellung als einer der wenigen
wirklichen Stadtbautraktate bedeutsamen »Quattro primi libri di Architettura« im Druck
vor.73 Im selben Jahr erschien in Venedig noch eine weitere einschlägige Abhandlung im
Druck, nämlich das Werk »Del modo di fortificar le città« des aus Pesaro stammenden
Giambattista (Giovanni Battista) Bonadio de’ Zanchi (1512–1586), das er dem König
von Böhmen, Maximilian von Österreich, Sohn und später Nachfolger Ferdinands I.,
widmete und das sich nach dem Militärhandbuch des Giovanni Battista della Valle di
Venafro erneut ausdrücklich mit der Befestigung von Städten auseinandersetzte.74
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Flut an einschlägigen Traktaten
zur Festungsbaukunst weiter im Steigen begriffen – zwischen 1554 und 1599 wurden
allein in Italien 17 Werke über den Festungsbau publiziert.75 Zu den bedeutendsten
Werken gehören die Arbeiten des Novaresen Girolamo Cattaneo (vor 1540–nach
1584), der 1564 und 1571 in Brescia zunächst seinen »Libro nuovo di fortificare« und
dann den Traktat »Nuovo ragionamento del fabricar le fortezze« im Druck veröffent-
lichte und auch für Vespasiano Gonzaga im Kontext von dessen Idealstadtprojekt in
Sabbioneta (1554–1571) als Berater wirkte. Mit Cattaneos 1584 gleichfalls in Brescia
publizierten »Dell’arte militare libri cinque« wurden seine beiden früher erschienenen
Traktate gleichsam zusammengefasst.76
Das Werk »Della fortificatione delle città« des in Mittelitalien als Militär dienen-
den, wahrscheinlich aus Urbino stammenden Iacopo Castriotto (eigentlich Fusti) – er
72 Zu ihm vgl. Pizzamiglio, Tartaglia, 214–219, Schweizer, Repräsentation und Funktion, 30, und Rei-
nisch, Angst, 304 f.
73 Zu Cataneo vgl. Bruschi, Cataneo, sowie Schweizer, Repräsentation und Funktion, 80 f.
74 Mollo, Theti, 122 ; das Werk selbst ist online einsehbar unter : https://ia902205.us.archive.org/17/items/
delmododifortifi00zanc/delmododifortifi00zanc.pdf (16.11.2014).
75 Bei der genannten Zahl sind Neuauflagen und Nachdrucke nicht mitgerechnet, vgl. dazu Burger, Dü-
rers »Unterricht zur Befestigung«, 287.
76 Zu ihm und seinem Werk vgl. Olivato, Cattaneo, sowie Schweizer, Repräsentation und Funktion, 85.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499