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Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre | 151
aber befinde sich die Stadt in einer wahren finanziellen Notlage, sie habe in jüngster
Vergangenheit etliche Rückschläge erlitten. Sowohl der Stadtbrand von 1525 als auch die
Zerstörungen zahlreicher Häuser während der Belagerung hätten die Steuereinnahmen
massiv sinken lassen, und man wäre nicht in der Lage, »aus eigenem Säckl« den »Ort«
am Stadtgraben beim Stubentor und gar hinab zur Biberbastei26 zu errichten.27 Ludwig
Eberle berichtet zu 1530 über die Planung von neun neu zu errichtenden Bollwerken :
ein neues Bollwerk bei der Burg, eine »Doppelbastei« (Bastion mit Kavalier) bei der
Schenkenstraße, eine weitere »Doppelbastei« gegen den Melker Hof, weiters je eine Bas-
tei beim Kärntner Tor, beim Stubentor, bei den Predigern, bei St. Clara, beim Werdertor
und beim Judenturm.28 Bis auf den später sogenannten Spanier bei der Burg (Bastei bei
dem Burgtor) bleibt unbekannt, wie diese frühen Planungen ausgesehen haben und ob
die erwähnten Standorte exakt den später gebauten Bastionen entsprachen. Als 1531
erneut Befürchtungen wegen eines Vorstoßes der Osmanen aufkamen, wollte man Wien
in aller Eile befestigen, obwohl erfahrene Spezialisten noch fehlten. Daher zog man die
in der Stadt verfügbaren Baumeister und Bausachverständigen zur Beratschlagung hinzu.
Diese empfahlen die Errichtung von fünf bzw. zumindest vier um den Stadtgraben lie-
genden »Basteien«, dazwischen »inwendig« von etlichen Kavalieren und Katzen (wohl
im Sinne von Erdwerk, Geschützplattform) und »auswendig« von Grabenstreichwehren.
Mit dem Bau der »Bastei vor dem Burgtor« wurde Anfang März begonnen. Gleichzeitig
sollten die Häuser in den Vorstädten abgebrochen werden.29 Vom 21. Juni 1531 stam-
men Anweisungen für den königlichen Rat Hans Haug, für die Baumeister, darunter
auch Johann Tscherte,30 sowie für den Bauschreiber Sebastian Stöger, die beim »Bau« der
Stadt Wien
– womit die Befestigung gemeint ist
– eingesetzt waren.31 Konkrete Objekte
werden darin nicht genannt, die Arbeiter sollten aber jeden Abend auf der »Bastei bei
der Burg« ihren Lohn erhalten. Betont wird, dass erfahrene Maurer das Mauerwerk er-
richten sollten, damit es von guter Qualität wäre.32 Am 29. Juni desselben Jahres wurde
26 Das Aussehen dieser frühen Befestigungselemente ist weitgehend unbekannt. Zur Biberbastei siehe
unten S. 186–189.
27 FHKA NÖHA W 61/C/3/A, 16. Jh. (Abschrift), fol. 60r–63v.
28 Eberle, Wien als Festung, 220. Die dazugehörigen Schriftquellen sind jedoch nicht mehr aufzufinden.
Vermutlich gelangten diese im Rahmen des Badener Archivvertrages 1927 an Ungarn, siehe Jeitler,
Schriftquellen, 45 und Anm. 7.
29 FHKA NÖHA W 61/C/3/A, 1531 März 3, fol. 140r bzw. 1531 März 10, fol. 93r.
30 Hans (oder auch Johann) Tscherte war seit 1529 landesfürstlicher Baumeister und galt als eine vielsei-
tige Persönlichkeit. Er stand mit Albrecht Dürer in Kontakt, den er in mathematischen Fragen wohl für
dessen Werk Etliche vnderricht, zu befestigung der Stett, Schloß vnd Flecken (Nürnberg 1527) beriet, vgl.
Kühnel, Forschungsergebnisse, 305 f.
31 Camesina, Urkundliche Beiträge, 53 Nr. III, las »Steyer« statt »Stöger«.
32 FHKA AHK, Gedenkbuch 33, fol. 154r–155r ; Camesina, ebd., 53 Nr. III.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499