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Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre | 201
Drei Jahre später, am 9. Juni 1549, berichtete der Bausuperintendent Hermes Schal-
lautzer Ferdinand I. über den aktuellen Zustand der Befestigungsarbeiten. Hinter dem
Augustinerkloster würden die Bauarbeiten durch einen hohen Grundwasserspiegel,
der durch heftige Regenfälle ständig steige, behindert. Dieser hatte jeden Fortschritt
lange angehalten, sodass der Baumeister in einem verzweifelten Schritt die gesamte
Gebäudefläche abplankte und alles Wasser auszuschöpfen versuchte. Die Kosten für
diese Maßnahme wurden von Schallautzer als zu hoch bezeichnet. Als Teil der Be-
festigungsarbeiten musste auch der Wienfluss in ein neues Bett verlegt werden. Mitte
1549 waren diese Arbeiten jedenfalls im Gange. Diese Bemerkung zeigt das Ausmaß
der Eingriffe deutlich. Einer der größten Nebenflüsse der Donau im Wiener Stadtge-
biet musste verlegt werden.305
Francesco de Pozo und seine Brüder Johann Maria und Bartolomeo baten 1550 und
1551 darum, die aufgrund des schlechten Wetters aufgelaufenen höheren Unkosten
ersetzt zu bekommen, was jedoch abgelehnt wurde.306
Ein Schreiben des ranghöchsten operativen Bauverantwortlichen, des Bauschrei-
bers Thoman Eiseler, vom 20. Dezember 1561 an den Kaiser ermöglicht abermals
einen Blick auf die Saisonalität der Bautätigkeit, die nur bei niedrigem Wasserstand
der Donau fortschreiten konnte, was normalerweise im Winter der Fall war. Eiseler
äußerte seine Hoffnung, dass das Wasser für zwei Monate niedrig bleiben würde, was
ihm die Fertigstellung des Werks erlauben würde. Die Donau und ihre Variabilität
mussten in Planungen bedacht werden und bestimmten deren saisonalen Verlauf.307
Bald danach wurde deutlich, dass diese Hoffnung vergebens gewesen war. Am St. Tho-
mastag, dem 21. Dezember, hatte das Wasser zu steigen begonnen. Am 5. Jänner war
der Grundwasserspiegel wieder gesunken, sodass Eiseler versuchte, die Arbeit an der
Piattaforma wieder aufzunehmen. Doch in der Nacht auf den 10. Jänner regnete es
wieder sehr stark, ebenso fast den ganzen folgenden Tag. Eiseler wusste um die Verbin-
dung von Regen im Oberlauf und anschwellendem Fluss und befürchtete, es könnte
auch im Einzugsgebiet der Donau viel geregnet haben, was ein erneutes Anschwellen
des Flusses bewirken würde. Er drängte den Kaiser, allen Vertragspartnern die aus-
ständigen Forderungen zu begleichen, sodass die Arbeiter in der Lage wären, eine
potenzielle Niedrigwasserperiode zu nutzen, um mit dem Festungsbau fortzufahren.308
305 Camesina, ebd., 67 Nr. XV.
306 FHKA Hoffinanzprotokolle E 1550 (W 203), fol. 15r, 97r ; Auch in FHKA NÖK ER 1550-1, fol. 48r,
78r/v, 93r, 208r, 1550-2, fol. 174r geht es um Supplikationen Pozos bzw. seiner Brüder im Jahr 1550,
darüber hinaus in : FHKA NÖHA W 61/C/3/B, 1551 [ohne Datum], fol. 426 f.; FHKA AHK, Ge-
denkbuch 64, fol. 708v.
307 Camesina, Urkundliche Beiträge, 75 Nr. XXII.
308 Camesina, ebd., 76 f. Nr. XXIV. Dies wird fast wörtlich in einem Brief vom Eiseler datiert mit dem
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499