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212 | Christoph Sonnlechner
zen waren völlig überfordert, mittels geltendem Recht Prozesse in dieser dynamischen
Landschaft zu fassen und Entscheidungen zu treffen. Die Landschaft entzog sich
aufgrund ihrer Instabilität jeglichem Versuch der Festlegung.340 Das eindrücklichste
Beispiel dafür gibt ein Prozess, der 1547 begann und 1557 um zwei weitere Prozesse
ergänzt wurde (Abb. 38‒39). Das Stift Klosterneuburg und das Wiener Bürgerspital
prozessierten letztlich mehr als 112 Jahre lang darüber, wer Holz auf Inseln nutzen
durfte. Der Wert der Ressource kann daran bemessen werden, dass man sämtliche
Gerichtsinstanzen bis hinauf zum Reichshofrat damit befasste und bereit war, große
Geldsummen für Gutachten und Gerichtskosten für die Klärung auszugeben.341
Zur Ziegelproduktion wurden unter anderem 1548 vier Ziegelöfen im Stadtgraben
erbaut, 1549 folgten zwei weitere. Die städtischen und kaiserlichen zusammengerech-
net, verfügte man hier in den 1550er Jahren über zehn Öfen.342 Mit dem zunehmen-
den Bedarf an Ziegeln und der rasch voranschreitenden Abholzung der Auen steuerte
man in der Mitte der 1550er Jahre, am Höhepunkt der Bautätigkeit, auf einen Punkt
zu, an dem die Ressource Holz in der Nähe der Ziegelproduktionsstätten knapp und
folglich eine Verteuerung der Produktion unausweichlich wurde. 1557 war es dann
soweit. Die Bauverantwortlichen sahen sich gezwungen, den Kaiser zu informieren,
dass die Verteuerung der Ziegelproduktion den Baufortschritt gefährden würde. Sie
versuchten, den mutmaßlich von »den Wienern« – damit ist die Wiener Bürgerschaft,
vertreten durch Bürgermeister und Rat, gemeint – verursachten Anstieg des Ziegel-
preises zu bekämpfen.
Die Wiener antworteten im März 1557 auf die Beschwerde von Thoman Eiseler.343
Dieser hatte sich über die Preissteigerung beim Kaiser beschwert, der wiederum den
Wienern daraufhin per Dekret befohlen hatte, diese abzustellen, zumal es jetzt im
Sommer mit den Arbeiten gut vorangehe und der Bau sonst stecken bleibe. Der Bür-
germeister der Stadt versuchte die aus der Holzknappheit und aus dem bereits fort-
geschrittenen Verschleiß der Ziegelöfen resultierenden höheren Preise für Ziegel zu
rechtfertigen. Er erwähnte als Grund dafür auch die üblich gewordenen größeren Mo-
del
– Formate
–, die auch Hermes Schallautzer verwende.344 Ein beigelegtes Schreiben
340 Sonnlechner u. a., Floods, 188‒192. Dort finden sich auch noch weitere Beispiele für Holznut-
zungskonflikte in den Wiener Auen. Siehe dazu auch hier im Buch, S. 213, insbesondere Fußnote 348
zum Jahr 1559.
341 Siehe dazu zusammenfassend Sonnlechner u. a., Floods, 190‒192.
342 Camesina, Urkundliche Beiträge, 65 Nr. XIII, und 67 Nr. XV ; FHKA NÖHA W 61/C/3/A, 1549.
1555 wollte man noch weitere errichten. Siehe hier im Buch S. 218.
343 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf KA HKR Nr. 153 Expedit, 1557 März.
344 KA HKR-Akten 2, Expedit 153, 1557 März, fol. 1r–4v ; vgl. auch FHKA NÖHA W 61/C/3/B, 1557
[Abschrift], fol. 544r–547v. Siehe dazu auch S. 214.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499