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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 223
im Osten wieder (siehe dazu die Abb. im Nachsatz des Buchs). Die nördliche Begrenzung
bilden die Burgen Oláhújvár (Nové Zámky), Súrany (Šurany) und Komjáti (Komja-
tice). Die Grenzlinie im Süden verläuft von Eisenstadt über Sopron (Ödenburg) bis
nach Győr (Raab). Diese Karte stammt aus dem umfangreicheren der beiden Wiener
»Angielini«-Exemplare.10 Das zweite Wiener sowie das Karlsruher Exemplar bringen
zwar ebenfalls eine Karte der Schüttinsel, allerdings nur im Ausschnitt von Pressburg
bzw. Hainburg bis Komorn.11
Das auf ihr abgebildete Territorium stellte das Einfallstor der Türken in Richtung
Residenzstadt dar. Es bildete gleichsam eine Pufferzone zu den osmanischen Haupt-
festungen in Ungarn und nahm daher in der Grenzbefestigung gegen die Osmanen
eine besondere Stellung ein. Es war keinem Grenzobristen unterstellt, sondern unter-
stand direkt dem Wiener Hofkriegsrat.12 Die Karte wurde mit großer Wahrschein-
lichkeit für den Kaiser angefertigt.13 Sie sollte ihm und seinen Ratgebern einen plasti-
schen Überblick über jenen Raum geben, der für die Residenzstadt von entscheidender
strategischer Bedeutung war
– den Raum zwischen der Residenzstadt und der Festung
Komorn, welche das Zentrum der kaiserlichen Kriegsflotte auf der Donau war.
Géza Pálffy datiert die »Originalaufnahme« der Karte auf 1566 bis 1570 und hält
Natale und/oder Nicolò Angielini für den/die Autor/en. Das Wiener Exemplar wäre
1574 von Paolo Angielini geschaffen worden, das Karlsruher von Nicolò im Zeitraum
von 1573 bis 1575.14 Die Wiener Exemplare und das in Karlsruhe zeigen eine ein-
fache Windrose zur Angabe der Himmelsrichtung, beide im unteren Bereich auch
Ansichten umwelthistorisch auswertbar sind : Andraschek-Holzer/Schmid, Umweltgeschichte und
Topographische Ansichten, 1‒49, hier insbesondere 2‒4. Sie betonen, dass in solchen Ansichten ein
Kommunikationszusammenhang zum Ausdruck komme, »der sich unter anderem dadurch auszeich-
net, dass ihre Produzenten die Interessen der Rezipienten antizipieren.«, 2. Eine Auswertung müsse
insbesondere in Kombination mit anderen Quellentypen erfolgen. Konkret geht es darum, »die aus den
Topographischen Ansichten ableitbaren Wahrnehmungsweisen auf den jeweiligen, historische einmali-
gen Zustand der Umwelt Donau zu beziehen.«, 4. – Veränderungen von biophysischen Arrangements
von Flussläufen, die sich vor der systematischen Regulierung der Flüsse ab dem 19. Jahrhundert schnell
ändern konnten, sind für umwelthistorische Betrachtungen besonders nutzbringend heranzuziehen.
10 ÖNB Cod. 8609 Han, fol. 4 ; siehe dazu oben S. 60–64 und zur Karte selbst, unten Anhang 9.1, S. 329
Nr. 2.3.; Pálffy, Anfänge, 60‒64.
11 ÖNB Cod. 8607 Han, fol. 8r sowie Karlsruhe, fol. 2 ; zu beiden siehe unten Anhang 9.1, S. 332 Nr. 3.1.
und S. 334 Nr. 4.2. – Es sei auch darauf hingewiesen, dass es sich bei dem abgebildeten Gebiet – insbe-
sondere beim burgenländisch-westungarischen Raum
– um eine Schwerpunktregion der habsburgischen
Salpetererzeugung handelte. Vgl. dazu Güldner, Umweltgeschichte der Schießpulverfabrikation, ins-
besondere 94‒104.
12 Winkelbauer, Ständefreiheit, 441 ; Pálffy, Anfänge, 60.
13 Siehe in diesem Buch zu den beiden Wiener Atlanten oben, S. 60–68.
14 Pálffy, Anfänge, 61 und 75.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499