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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 227
Terrain. Die interessierende Landschaft der Schüttinsel ist mit vielen kleinen Punkten
übersät, die wohl auf spärliche Besiedlung
– zum Teil Einzelhöfe und Weiler
– hinwei-
sen soll. Die Flächen nördlich und südlich von Wien scheinen ebenfalls unbesiedelt.
Die Leere hat allerdings in diesem Fall lediglich damit zu tun, dass diese Flächen aus
militärischer Sicht nicht von Interesse waren und daher keine Siedlungen ausgewiesen
wurden.
Bemerkenswert ist die Einzeichnung des Wegenetzes von Wien über St. Marx
(s. marco) und Schwechat nach Osten. Vor Fischamend (Vischamin) gabelt sich die
Straße. Nach Südosten geht es über Bruck an der Leitha nach Ungarisch Altenburg,
dort wieder Richtung Südosten weiter nach Raab und Richtung Norden nach Pet-
ronell und wieder nach Wien oder Pressburg. Nach Norden führt der Weg über Re-
gelsbrunn, Petronell, Altenburg und Hainburg entlang der Donau nach Pressburg, wo
keine Donaubrücke bestand. Ein Übersetzen mit der Fähre war notwendig. Östlich
Pressburg musste man erneut die Donau überqueren, um auf die Schüttinsel zu gelan-
gen. Über Šamorín (St. Marain) südöstlich Pressburg und einige größere Orte führt
die Straße schließlich zur Festung Komorn. Die eingezeichnete Route zeigt also vor
allem die Strecke Wien–Komorn unter Verbindung der Festungsstädte Bruck, Hain-
burg, Pressburg, Ungarisch Altenburg und im Süden Raab. Die Schüttinselkarte des
Karlsruher Exemplars weist dagegen kein Wegenetz aus.
Wie eingangs dargelegt, sollte die Schüttinsel-Karte des Wiener Cod. 8609 Han
wohl dem Kaiser und seinen Beratern einen Überblick über das Einfallsgebiet der Os-
manen in Richtung Residenzstadt bieten. Deshalb ist auch Wien als Orientierungs-
punkt im Westen eingezeichnet, wenngleich am Westrand abgeschnitten, jedoch mit
dem korrekten Brückenverlauf, wie er nach der Verlegung des Tabors nach den großen
Hochwassern der Jahre 1565/66 ab circa 1569/70 bestand.22 Flussquerungen waren für
die Militärs von enormem Interesse, weswegen die Einzeichnung der Wiener Brücken
nicht verwundert (siehe dazu oben S. 199 f. Abb. 35‒36).
Wien selbst erscheint insgesamt deutlich überdimensioniert. Sogar das Lusthaus im
Prater ist als Bezugspunkt ausgewiesen, auch Schloss Ebersdorf nördlich von Schwe-
chat (schbechet) in den Auen ist zu sehen, wenngleich unbezeichnet. Das erst 1569
begonnene kaiserliche Lustschloss Neugebäude fehlt hingegen, was ein Datierungs-
hinweis sein könnte. Donau und Wienfluss sind als Wasserläufe mit strategischer Be-
deutung genauso eingezeichnet wie die Auwälder, ebenso der Wienerberg samt Teil-
bewaldung.
22 Sonnlechner u. a., Floods, 182, insbesondere auch Abb. 3 ; seit 1440 bestand im Wiener Raum ein
dauerhafter Brückenzug über die Donau, ebd., 180 f.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499