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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 231
nen31 sowie die Stadtmauer außen32 und innen durch Erdwälle zum Schutz gegen Feu-
erwaffen zusätzlich befestigt.
Anhand von schriftlichen Überlieferungen und frühen Stadtansichten wurde ver-
sucht, die Ausdehnung der Vorstädte zu rekonstruieren,33 was aufgrund der unklaren
Lokalisierung und ohne archäologische Hinweise Unsicherheiten in sich birgt.
Die Vorstädte erwiesen sich bei der Belagerung von 1529 als besonders proble-
matisch, da sie dem Feind Schutz und Deckung boten. Die osmanischen Truppen
konnten dadurch leichter an die Stadt herankommen. Aus diesem Grund waren es vor
allem die Militärs, die regelmäßig den Abbruch der Vorstädte und die Errichtung einer
ebenen freien Fläche vor der Stadtbefestigung forderten. Die Interessen der Stadt und
teilweise auch des Stadtherrn waren deutlich differenzierter, wie weiter unten noch
ausführlich zu zeigen sein wird.
Im Februar 1530 machten der Bürgermeister und der Rat der Stadt Wien darauf
aufmerksam, dass viele Bürger und die in den Vorstädten lebenden Personen, die durch
die Belagerung ihre Wohnungen verloren haben, wegziehen wollen. Das galt es jedoch
zu vermeiden.34 Der Stadtschreiber Hanns Hofman übergab am 28. Februar desselben
Jahres Ferdinand I. eine Instruktion, worin unter anderem erneut auf die Gefahr des
Wegzugs der Bürger aufmerksam gemacht wurde. Zudem wurde gebeten, man möge
den Stadtgraben erweitern und bis zum Wasser vertiefen, die verbrannten Häuser nie-
derreißen und Streichwehren anlegen.35
Ferdinand I. beschloss noch 1530, nur die Innere Stadt ohne Einbeziehung der
Vorstädte zur Festung auszugestalten und die alte Stadtmauer durch neue, der zeitge-
nössischen Kriegstechnik gerecht werdende Bollwerke zu verstärken.36 Dieses Vorha-
ben, Wien zu einem »Bollwerk der Christenheit« auszubauen, sollte das »bedeutendste
aller Bauprojekte der Epoche« werden, wodurch die Stadt eine völlig neue Rolle als
»Grenzfestung gegen die Türken« erhielt.37 Die Gemäuer der abgebrannten Vorstädte
sollten gleichzeitig niedergerissen werden.38 Durch die Belagerung waren außerhalb
der Stadt 900 Bürgerhäuser »abgestoßen« und niedergerissen worden, die nicht mehr
31 Opll, Grenzen, 47–51 ; Kutzlnigg, Befestigungs- und Kriegswesen, 307–319.
32 Zu sehen auf einigen Ansichten des 16. Jahrhunderts : Zeichnung des Wolf Huber 1530 (Opll/Stürz-
linger, Ansichten und Pläne, 57 Nr. 27), Hans Sebald Lautensack 1556, Ansicht von Augustin Hirsch-
vogel von Süden 1547 (zu letzteren siehe unten Anhang 9.7, S. 484 f. Nrr. 8 und 3).
33 Opll, Wien (Österreichischer Städteatlas Lief. 1), samt Karte »Grenzen im Wiener Raum« ; Opll,
Grenzen, 41–49 ; Brauneis, Vorstadt.
34 QGW I/2, Nr. 1374.
35 QGW I/2, Nr. 1375.
36 NÖLA Ständische Akten A VIII 9 ; 1530 September 8, fol. 10r–11v.
37 Opll, Ferdinand I. und seine Stadt Wien, 84 f.
38 NÖHA W 61/C/3/A, 1530 Mai 12, fol. 82r ; Öhlinger, Wien zwischen den Türkenkriegen, 36.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499