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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 245
anschließenden größeren Gebäude den Nukleus der Siedlung im Unteren Werd, den
Neidecker Hof. Bei dem einzeln stehenden Gebäude am unteren Blattrand könnte es
sich um den in den Quellen erwähnten Meierhof des Neidecker Hofs handeln.70
Im Juni 1569, also ungefähr in den Jahren der Entstehung der »Angielini«-Pläne,
lesen wir von einem Projekt des Militärs, die Vorstädte auf den Unteren Werd umzu-
siedeln. Am 4. Juni dieses Jahres schrieb der Hofkriegsrat Franz von Poppendorf an
den Kaiser, dass in den Vorstädten große »Unordnung« herrsche. Die Vorstädte und
Gärten würden eine Gefahr darstellen. Die Bewohner müssten abgesiedelt werden.
Man solle ihnen aber Ersatzgrundstücke zwischen Schlagbrücke und Altem Tabor an-
bieten. Man habe bereits Bereiche ausgesteckt. Innerhalb einer Zweijahresfrist sollte
umgesiedelt werden.71
Aus einem Schreiben Poppendorfs vom April 157972 wissen wir, dass dieser vom
Kaiser am 15. Dezember 1577 damit beauftragt worden war, mit zwei Baumeistern eine
»Hauptberatschlagung« durchzuführen. Der Bruder Kaiser Rudolfs, Erzherzog Ernst,
wird in diesem Schreiben als Präsident – was hier möglicherweise als »Vorsitzender« zu
verstehen ist
– bezeichnet, der alles Weitere entscheiden solle. Am 17. Dezember machte
sich dann Poppendorf, da Pietro Ferabosco von der bergstädtischen Kommission noch
nicht zurückgekehrt war, mit Ottavio Baldigara zu einem Augenschein auf den Tabor
auf, worüber ein abriss angefertigt wurde (Abb. 47).73 Das Resümee lautete, dass man
70 Zum Neidecker Hof siehe : https://www.wien.gv.at/wiki:Neideckerhof (31.7.2016) : Ein »Hof zu Ney-
decke« wird bereits 1300 erwähnt. Er kam 1414 in den Besitz der Stadt Wien. Der Meierhof gehörte ab
1377 dem Wiener Bürgerspital. Es handelte sich um einen breiten Grundstreifen hinter den Häusern
der Oberen Donaustraße zwischen Hollandstraße 2‒6 und Taborstraße. Der Meierhof bestand bis zur
Zweiten Türkenbelagerung. Zur Besiedlung des Unteren Werds s. Sonnlechner u. a., Floods, 173‒194,
hier 188, sowie Haidvogl u. a., Urban land for a growing city, 195‒217, hier 197‒199.
71 KA, HKR 1569 Juni Nr. 144 Expedit ; 1576/89 präsentierte auch Carlo Theti seine Befestigungsvor-
schläge, siehe dazu in diesem Buch im Kapitel zu den Festungstraktaten, S. 142–144.
72 KA, HKR 1579 April Nr. 1 Expedit.
73 Ebd. Beilage mit Dorsualvermerk : Die Insel zwischen Schlag- und altem Täber bruggen, abgewegen durch
Otavio Waldegara 17. Decembris anno 1577. Baldigara hat sich zuerst auf den höchsten Ort der Insel
gestellt (A), welcher nach Aussage der Einwohner auch bei den größten Güssen trocken bleibe. B ist
fast der niederste Ort der Insel (vier Schuh acht Zoll niedriger als A = ca. 1,5 m). Von B nach C, wo ein
großer Birnbaum steht, steigt das Land wieder um drei Schuh, 1 ½ Zoll (= ca. 1 m). Differenz von C zu
A nicht mehr als ein Schuh, 6 ½ Zoll (= ca. 0,5 m), die angeschüttet werden müssten. Von C bis an die
Gstetten des Wassers (D) erniedrigt sich das Land wieder bis zum Wasser (E). Acht Schuh und vier Zoll
bei der Schlagbrücke (= ca. 2,6 m). Ist vom Land bis zum Wasser verzeichnet (F) 11 Schuh (= ca. 3,5 m),
von G bis H hängt das Land um neun Zoll (= ca. 0,25 m), sodass also (aber doch nur der geringere Teil)
der Insel zwischen der Schlag- und der Taborbrücke von vier auf fünf Schuh (= ca. 1, 25 m auf 1,60 m)
von aufzuschütten wären, damit die Häuser wasserfrei seien : Skizzenbeschriftungen – Längenschnitt :
• F Schlag Bruggen
• von der Schlagbruggen bis zum A ist der weg ausgescheuteh 309 ½ klaffter [587 m]
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499