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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 257
12), die auch noch in verschiedenen Skizzen, die vor und während der Demolierung
1874/75 entstanden, ihre Entsprechung finden.101 Der Dresdner Plan gibt zudem den
Zugang als eine Art Rustika-Portal sowie Eckquaderungen am Kavalier wieder. Hier
überspannt das Lusthaus-Gebäude mit einem Kuppeldach die gesamte Plattform des
Kavaliers. Dieses Gebäude fällt in den anderen zwei Exemplaren deutlich kleiner aus,
wobei das der Wiener Variante eher ein Walmdach zu tragen scheint. Die Karlsruher
Ausfertigung zeigt dagegen das Objekt sehr skizzenhaft, sodass es nicht näher zu de-
finieren ist. Die Einbindung der Stadtmauer an die Südecke des Kavaliers ist auf allen
drei Plänen unterschiedlich wiedergegeben. Während auf der Dresdner Variante gar
keine Mauer sichtbar ist, sondern nur der Wall mit Palisadenzaun, wirkt sie auf dem
Karlsruher Plan bereits wie eine breite Kurtinenmauer, die sich am Kavalier zu einer
Plattform verbreitert. Auf dem Wiener Exemplar erkennt man eine Mauer und einen
Zaun auf dem Wall, wobei ein eigener Weg von einer den Wall begleitenden Straße
hinauf in Richtung Kavalier zu verlaufen scheint. Ein im Königlichen Kriegsarchiv
in Stockholm aufbewahrter Plan, der die Situation um 1563 zeigt (unten nach S. 312
Tafel 9),102 gibt an dieser Stelle zwei parallel verlaufende Mauern wieder, wobei die der
Stadtseite zugewandte nach einer gewissen Länge endet. Diese Darstellungen erwe-
cken den Eindruck, als seien hier noch nicht abgeschlossene Adaptierungen am Wall
bzw. der Kurtine dargestellt. Pläne aus dem 19. Jahrhundert geben Aufschluss über die
bauliche Konstruktion, die Substruktion bzw. zu den Kasematten von Bastion, Kava-
lier und angrenzender Kurtine, die 1683 und 1809 mehr oder weniger stark zerstört
und im Anschluss wiederhergestellt wurden.103 Eine archäologische Baubegleitung im
Bereich Josef-Meinrad-Platz/Löwelstraße führte zu neuen Erkenntnissen bezüglich
Mauerverläufen und -strukturen sowie unterschiedlichen Bauphasen.104
Die nach Norden auf die Bastei beim Schottentor zulaufende Kurtine ist im Dresd-
ner und Karlsruher Exemplar lediglich grabenseitig, im Wiener Plan aber auch stadt-
seitig mit Mauerwerk verstärkt. Die äußere Kurtinenmauer setzt vor dem Kavalier an
die niedrigere Mauer des rechten Flankenhofs an. Auch der im Königlichen Kriegs-
101 Unten Anhang 9.7, S. 489 Nr. 22 ; z. B. WM Inv.-Nr. 10.505.
102 Siehe unten Anhang 9.7, S. 486 Nr. 13/1.
103 K. k. Niederösterreichische Fortifikations-Distrikts-Direktion, Übersichtsplan der Stadtumfassung
nebst Detailgrundrissen aller bestandenen Kasematten, 1834 (KA, KPS GPA Inland C 1 α 2, Nr. 2,
Blatt 4) ; Plan vom Unterbau des k. k. Hofburgtheaters über das bei Aushebung des Erdreiches für
die Keller vorgefundene und abgebrochene Mauerwerk von den alten Basteimauern etc., Carl von
Hasenauer, 1876 (Albertina, CHA668) : http://sammlungenonline.albertina.at/#bf5d2ec7-c89c-40c9-
ab21-50c3bc3d4637 (13.4.2015) ; undatierter »Situations Plan der Löwel Bastei«, zweite Hälfte 19. Jh.
(WStLA, Kartographische Sammlung, Allgemeine Reihe, Pläne und Karten : Sammelbestand, P1.194
G/1).
104 Krause, Löblbastion, 162–179.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499