Seite - 299 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
Bild der Seite - 299 -
Text der Seite - 299 -
Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 299
Engel) wird in allen drei »Angielini«-Plänen dargestellt, im Wiener als »iesviti«, im
Karlsruher als Gesuiti und im Dresdner als »gisviti« bezeichnet.
Das sogenannte Peilertor wird von allen drei Plänen ohne namentliche Auszeich-
nung in Form einer Ansicht wiedergegeben. Es ist ein wuchtiger Torturm mit Walm-
dach zu sehen. In der Mitte des Dachansatzes ragt ein einer Gaupe ähnlicher Aufsatz
auf. Zudem blickt man perspektivisch in die Torlaibung. Der alte Torturm stand in
der Gegend der Porta Decumana, des südwestlichen Haupttors des Römerlagers, und
bildete die Verbindung zwischen Tuchlauben und Kohlmarkt. Das alte Befestigungs-
werk ist erstmals 1278 zu fassen. Das unterhalb des Turmes durchführende Tor war
ursprünglich ein Außentor der Stadt gegen Südwesten, das bei der um 1220 erfolgten
Stadterweiterung seine Funktion verlor und fortan innerhalb der neuen, stark erwei-
terten Stadtmauern lag. Als das Tor baufällig geworden war, ließ es der Stadtrat im
Jahr 1426 umbauen. Ab 1565 fand der Turm als städtisches Gefängnis Verwendung.
1732 wurden Tor und Turm aus verkehrstechnischen Gründen abgebrochen.
St. Peter wird im Wiener und im Karlsruher Plan infolge der Südorientierung mit
dem Turm im Vordergrund dargestellt. Im Dresdner Exemplar erfolgt die Darstellung
äußerst schematisch mit dem Turm im Hintergrund. Die Bezeichnungen lauten auf
der Wiener und der Dresdner Überlieferung »s. pietro«, bei Karlsruhe S.
Pietro. Die
Brunnen am Graben und am Hohen Markt finden sich nur im Wiener Exemplar. Bei
dem Brunnen am Hohen Markt handelt es sich um den 1564/65 errichteten Röhren-
brunnen, einen Auslaufbrunnen der ältesten Wasserleitung Wiens, der Hernalser Was-
serleitung. Diese Wasserleitung wurde 1526 von Ferdinand I. nach dem verheerenden
Stadtbrand von 1525 mit 460 ausgebrannten Häusern angeordnet. Fertiggestellt und
in Betrieb genommen wurde sie erst 1565.221 Das Wiener Exemplar zeichnet zudem
den Pranger östlich des Brunnens am Hohen Markt ein.
Die Lorenzer- bzw. Laurenzerkirche ist wieder auf allen drei Plänen dargestellt, im
Wiener Exemplar mit »s. lorenzo«, im Karlsruher mit S. Lorenzo und im Dresdner
221 Die Quelle der Wasserleitung entsprang zwischen Hernals und Dornbach. In einem Brunnenkasten in
Hernals wurde das Wasser gesammelt und in unterirdischen Holzröhren bis zum Stadtwall und von da
an in Bleirohren der Stadt zugeführt. Da diese Wasserleitung sehr stark witterungsabhängig war, nahm
durch die fortlaufende Verbauung neben der Trasse der Wasserleitung die Lieferfähigkeit immer mehr
ab. Im Jahre 1732 wurde veranlasst, eine Hauptquelle der Als der Hernalser Wasserleitung zuzuführen,
um unter anderem dem Vermählungsbrunnen am Hohen Markt einen verstärkten Wasserzufluss zu
verschaffen. Die Wasserleitung speiste verschiedene Brunnen, Bassins und Ausläufe im heutigen 1. Be-
zirk. Siehe dazu Koblizek/Süssenbek, Trinkwasserversorgung, 142‒144 und 179 f.; vgl. auch Opll,
Eisenbuch, 89, 91 und 120. Zum Verlauf der Wasserleitung s. Wien Kulturgut : http://www.wien.gv.at/
kultur/kulturgut/geschichte/wasserleitung.html (23.6.2015). Das Holz für die Röhrwasserleitung kam
aus dem Wienerwald : Grün, Hof- und Kaiserspital, 243. Zum Rohrbrunnen am Hohen Markt siehe
ausführlich Koblizek/Süssenbek, ebd., 400‒404.
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499