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ßigjährigen Krieg, arg gehaust, gemordet und geschändet haben. So sah der Frieden aus,
für welchen Millionen von weißen und farbigen Soldaten in fast sechs Jahren ihr Leben
gläubig hingegeben hatten.“181
Erwähnung fand noch ein Besuch in Basel 1947, bei dem Kokoschka viele seiner
1937 beschlagnahmten Bilder vorfinden und somit erfahren konnte, dass diese nicht
alle zerstört, sondern von den Nationalsozialisten „für gute Valuta ins Ausland“ ver-
kauft worden waren.182
Mit dem nächsten Kapitel „Die Schule des Sehens und die Macht der Musik“
wurde – ohne auf das chronologische Dazwischen einzugehen – das Kapitel der
Sommerschule „Schule des Sehens“ in Salzburg aufgenommen. Noch stärker als zu-
vor flossen hier Kokoschkas Ansichten über Erziehung und die angemessene Form
von Kunstunterricht ein.
Das nächste und vorletzte Kapitel mit dem Titel „Neue Begegnungen“ versam-
melt quer durch die Zeit Erzählungen und Anekdoten und das letzte Kapitel mit
dem Titel „Das geistige Licht“ ist der Versuch eines abschließenden Resümees. Zwei
Erwähnungen daraus erscheinen mir zentral: Erstens das Bewusstsein der eigenen
Zeitzeugenschaft großer historischer Umwälzungen und ein damit verbundenes
Unbehagen:
„Sozusagen vor meinen Augen war erst das Habsburgische Weltreich und dann die briti-
sche Weltmacht in Stücke gegangen; der Rest der Welt näherte sich, was die Zivilisation
betrifft, dem Chaos.“183
Zweitens eine Abrechnung mit jeder Form von Modeströmungen auch und vor al-
lem in der Kunst, verbunden mit einer Betonung seiner eigenen Individualität und
einer kulturpessimistischen Zeitkritik:
„Ich mache Moden nicht mit und ignorierte auch die der Künstler meiner Zeit, etwa die
des analytischen Kubismus, als jedermann eine cézannisch zerlegte Gitarre malen mußte.
Das ist vorbei. Es erinnerte mich nur an das unangenehme Geklimper der Wandervogel-
bewegung des Jugendstils. Das war bereits eine Zeitflucht, wie die der mit Transistoren
181 Kokoschka, Mein Leben, 259.
182 Kokoschka, Mein Leben, 259.
183 Kokoschka, Mein Leben, 297.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463