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2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden | 147
„P.
Werigand Mayr OSB/Seekirchen am Attersee, schrieb ebenfalls eine Abhandlung über
meine Arbeiten in den letzten Tagen. Mit ihr bin ich sehr einverstanden, auch was die
Form anbelangt. Hans v. Hammerstein218 sagt wortwörtlich: den Aufsatz finde ich recht
nett, nur etwas kalendermäßig in der Tonart.‘“219
Und weiter:
„Am 22. XI. gingen mir 10 Exemplare des I.K. Gildenalmanachs zu. Hammersteins Essay
über Kubin ist gut. Ich selbst bin nun der Meinung, ob nicht doch der Text von P. Kil-
ger über mich und meine Arbeit sich innerhalb des Almanachs höchst merkwürdig aus-
nimmt. Zwei Tage war ich deprimiert und nun finde ich mich darein, weil es nicht mehr
zu ändern ist. Nützen wird mir der ganze Almanach 1930 nichts. Es ist wie verhext, alle
Chancen, die mir geboten sind, kann ich nicht benützen. Der Aufsatz in der ‚Kirchen-
kunst‘, von P. W Mayr, erscheint noch im Dezember dieses Jahres.“220
Obwohl die im Auftrag verfassten biographischen Notizen damit abgeschlossen wa-
ren, führte Wach seine Aufzeichnungen, nunmehr stärker im „klassischen“ Tagebuch-
duktus unter Bezugnahme auf tagesaktuelles Geschehen, bis November 1929 weiter.221
Im Heft finden sich schließlich noch zwei Nachträge von 1931, die zweifellos eine
Reflexion einer späteren Relektüre des Geschriebenen darstellen.222 Er ging darin
nochmals auf den ursprünglichen Zweck seiner Notizen ein, und nachdem schon die
Einträge von 1929 erkennen ließen, dass er mit dem auf Basis seiner Aufzeichnungen
verfassten Bericht Kilgers nicht glücklich war, kam die Kritik nun noch deutlicher:
„Es ist schade: der Mönch [Anm.: P.
Laurenz Kilger] hatte mir nicht genützt mit dem Text
im Jahrbuch der Gilde. Anhand meiner Aufzeichnungen, die hier vorliegen, hätte er et-
218 Hans (von) Hammerstein (1881–1947), Schriftsteller, Beamter und Politiker. Hammerstein war
Mitglied der Innviertler Künstlergilde und eng mit Wach (und Alfred Kubin) befreundet. 1934
wurde er zum Sicherheitsdirektor Oberösterreichs ernannt, 1936 wurde er Justizminister des ös-
terreichischen Ständestaats.
219 Aloys Wach, Biographische Notizen 1929 (mit Nachträgen 1931), Eintrag 24.9.1929.
220 Aloys Wach, Biographische Notizen 1929 (mit Nachträgen 1931), Eintrag 24.9.1929.
221 Aus dem Jahr 1929 finden sich noch zwei Einträge (vom 23. und 24.11.1929), er berichtete darin
über einen Konflikt mit dem Linzer bischöflichen Ordinariat.
222 Zur Bedeutung der „Relektüre“ in der Praxis des Tagebuchschreibens vgl. Seifert, Tagebuch-
schreiben als Praxis, 45; Christiane Holm, Montag Ich. Dienstag Ich. Mittwoch Ich. Versuch einer
Phänomenologie des Diaristischen, in: Helmut Gold/Christiane Holm/Eva Bös/Tine Nowak (Hg.),
@bsolut privat!? Vom Tagebuch zum Weblog, Heidelberg 2008, 10–50, 38.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463