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2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden | 149
lisch strahlender Erkenntnisse. Träume wechseln mit Tagerlebnissen und deren sonder-
baren Deutung. Da steht einmal in lapidarer Kürze ein knappes Kapitel, das der Wahnwitz
oder die Hellsicht diktiert haben mochte – wer weiß es, wer ahnts? […] Mit heißem Kopf
lege ich die Blätter von mir. Es ist wohl zuviel. Ich bin hilflos. Ich glaube, wohl selten habe
ich versucht derart erschüttert einzuschlafen. Kreuz und quer schieben sich Bilder. End-
lich falle ich in Dämmerung; es sinkt das Dunkel über mir zusammen, grau verschwimme
ich selbst in die sanfte Auflösung, die Schlaf ist.“226
Resümierend
Zu Aloys Wach, der als Künstler sowohl zu Lebzeiten wie auch posthum wesentlich
unbekannter war/ist als Kubin und Kokoschka, liegen naturgemäß weniger auto/
biographische Publikationen vor. Diese basieren übereinstimmend – und das konnte
hier klar aufgezeigt werden – auf Wachs eigenen „biographischen Notizen“. Das
überlieferte biographische Bild des Künstlers stimmt mit seinem eigenen autobio-
graphischen Narrativ völlig überein. Mit seinen 1929 verfassten „biogr.[aphischen]
Notizen“ erstellte Wach die Vorlage für eine von einem anderen Autor verfasste
Biographie über ihn. Ähnlich wie zunächst auch Kokoschka trat Wach damit nicht
als Autobiograph auf, gab aber das biographische Narrativ, das über ihn in Umlauf
gebracht wurde, dezidiert selbst vor. Gekennzeichnet war dieses Narrativ von einer
starken Übereinstimmung mit den von Kris/Kurz beschriebenen „biographischen
Formeln“ der Künstlerbiographie. In seinen autobiographischen Selbstreflexionen
schrieb sich Wach in das Bild des sensiblen, feinfühligen Künstlers ein, der außer-
halb der bürgerlichen Gesellschaft steht und von dieser auch allzu oft nicht verstan-
den wird. Seinem spirituellen Ansatz folgend präsentierte er sich auch als Mensch
mit übersinnlicher Veranlagung, was wiederum eine hohe Übereinstimmung mit
bekannten Künstlerstereotypen aufweist. Obwohl es in Wachs Leben auch intensiv
politische Phasen gab, nahmen diese in den „biographischen Notizen“ wenig Raum
ein beziehungsweise fanden rückblickend lediglich eine Einordnung als Irr- oder
Umweg im eigentlichen Dasein als Künstler.
226 Aloys Wach, Das Tagebuch, unveröff. Manuskript.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463